Beiträge von Sister

    Herrje,
    also eigentlich wollte ich nur ein paar Anregungen für veränderte Weihnachtsrituale haben. Dass das andere Thema hier nicht rein gehört, war mir klar, daher wollte ich es auch im ersten Post nicht ansprechen.
    Ich habe gelesen, dass viele nach dem Tod eines nahestehenden Menschen Weihnachten nicht mehr feiern oder verändert feiern. Dafür hätte ich gern Anregungen, ohne die Trauer zu sehr in die Mitte zu rücken.
    Welcher dieser Anregungen ich dann wie aufgreifen kann und welche definitiv nicht umzusetzen sind, wäre dann meine Sache - es geht ja nur um Anregungen. Therapie etc. wurde schon versucht, hat aber schlussendlich wenig gebracht (der Therapeut machte meine Mutter noch kontrollierender und bei mir wurde das Thema einfach abgeschmettert, also man solle einfach die Familie verlassen).


    Um es noch einmal klar zu sagen:
    Ich bereite mich gerade ein bisschen auf Weihnachten vor, s.o., mit Ideen, wie man die Feiertage möglichst ohne Stress verbringen kann und so, dass jeder etwas davon hat.
    Bis jetzt wurde die große Bescherung nur ersetzt durch DVD-Schauen, wobei es schwierig war, eine passende DVD zu finden.
    Mir fehlen einfach Ideen für einen besinnlichen Abend, der aber nicht so sehr auf das vorherige "traditionelle Weihnachten" und nicht so sehr auf die Trauer fokussiert ist.


    Ich suche nicht nach Ideen, wie wir besser mit meiner Mutter umgehen können oder wie sie sich Hilfe holen kann, da dieses Thema für uns zur Zeit abgeschlossen ist und wie die Situation so akzeptieren, wie sie ist (und versuchen, Treffen so zu gestalten, dass möglichst alle dabei gut wegkommen).


    Genau genommen suche ich nach Ideen, wie man die Zeit nach der Kirche und dem kleinen Essen, ab ca. 18 bis 19 Uhr am 24. und die Zeit am 25. sinnvoll gestalten kann, so dass jeder etwas davon hat.


    LG von
    Sis

    Hallo,
    vielleicht muss ich doch noch etwas erklären.
    Nach dem Tod meines Bruders recherchierte ich mal, und stellte fest, dass meine Mutter wohl narzisstische Tendenzen hat. Früher habe ich jegliche Ausraster immer auf mich geschoben, weil mir das so eingeredet wurde, nach dem Tod meines Bruders wurde mir bewusst, dass sie ihn z.B. für vieles vorgeschoben hatte.
    Sie hat im Prinzip zwei Motivatioen: Angst und Schuld/Kontrolle.
    Sie hat eigentlich vor vielem Angst, kaschiert das aber durch herrisches Auftreten und teilweise Aggression. Vor dem Tod meines Bruders gab es zwei einschneidende Erlebnisse in ihrem Leben: 9 Jahre vorher verließ ihr langjähriger Lebenspartner sie und ein Jahr später starb ihre Mutter. Die Beziehung mit dem Lebenspartner war von ihrer Seite aus schon lange keine mehr - sie war Jahre vorher aus dem Schlafzimmer ausgezogen und meckerte nur noch an ihm rum - und sie definierte die Beziehung damals so, dass der Mann nie etwas für sie tue (dabei tat er alles für sie, gab den Druck an uns Kinder weiter, suchte immer nach einem Schuldigen und sah seine Bestimmung darin, meiner Mutter jeden Wunsch zu erfüllen, damit sie glücklich = nicht wütend war).
    Als die Beziehung also vorbei war, stellte sich heraus, dass sie, die große Emanze, ohne Mann nicht leben könne. Mein Bruder und ich investierten viel Zeit, sie wieder aufzubauen und von den Selbstmordgedanken (!) wegzubekommen. Ein Jahr später das gleiche in abgemilderter Form.
    Danach hatte sie alleine mit meinem Bruder die 8 schönsten Jahre ihres Lebens!
    Denn nun bekam sie dreifache Bestätigung: Sie erzählte überall herum, dass sie jetzt alles für ihren Sohn tue, das ihr Vollzeitjob sei und sie sich quasi für ihn aufopferte. Zusätzlich "erzog" sie ihn (er war schon erwachsen) erst mal richtig, konnte also Kontrolle ausüben. Jeder andere hätte rebelliert. Mein Bruder kam aber (meistens) sehr gut damit zurecht, die beiden ergänzten sich prima, sie konnte vieles tun, das sie selbst tun wollte, nun aber offizell für meinen Bruder tat und er war gewohnt, mitzukommen, hatte also bzgl. Tagesablauf nie seinen eigenen Kopf. Die beiden sahen abends die gleichen Sendungen und spielten Brettspiele, sie machte ihm teilweise das Abendbrot fertig, er gab ihr liebevolle Kosenamen oder scherzte mir ihr rum, ließ sich aber auch dirigieren (wann er sich umziehen sollte, wann er duschen sollte, wie er aufräumen sollte) und übernahm diese ganzen Regeln aufgrund seiner Behinderung. Zusätzlich konnte sie ihn einspannen, wenn sie frustiert war, so dass er uns dann mitteilte, was wir falsch gemacht hatte.
    In dieser ganzen Zeit war sie recht ausgeglichen.
    Vorher und leider hinterher hatte sie Schreiattacken, lief teils stundenlang schreiend und schimpfend durchs Haus. In unserer Teenagerzeit war der Anlass angeblich immer unsere mangelnde Mithilfe im Haushalt, die allerdings von ihr auch aktiv verhindert wurde.
    Jetzt hat sie keinen Grund mehr und hat meinen Vater als Ursache rausgepickt und läuft manchmal, wenn es ihr schlecht geht und sie nicht weiß, warum schreiend durchs Haus "ich hasse euch alle!" etc.
    Davon gibt es mehrere Varianten.


    Das Problem Schuld/ Kontrolle ist ihre fundamentale Selbstdefinition als jemand, in dessen Schuld alle stehen. Ständig sollen wir etwas für sie machen - oft monatelang jedes WE - aufräumen, ausräumen, entrümpeln, Gartenarbeit, Zimmer renovieren. Wir machen das meistens brav, auch nach ihren Regeln: Nicht fragen, wie lange es dauert, nicht reden, alles so schnell wie möglich machen, immer fragen, nichts alleine entscheiden. Wenn man dann mal nach 5 Monaten fast jedes WE-Arbeit ein WE "frei" haben möchte, wird man zum Staatsfeind erklärt, es kommen Tiraden, sie sei IMMER alleine gewesen, NIE habe ihr jemand geholfen, man sei immer nur "Handlanger" gewesen, nichts würde man von sich aus machen. Zählt man dann auf, was man noch letztes WE gemacht hat, wird das abgetan als "aber nur, wenn ich euch rufe" oder "aber die Jahre vorher kam nie etwas" oder "wisst ihr eigentlich, was ich alles für euch getan habe". Mein Bruder hat ihr bspw. größere Summen Geld gegeben, erwartete auch keinen Dank und ein halbes Jahr später hieß es "aber er hat nicht im Garten mitgeholfen!" :cursing:


    Eine weiterer Aspekt ist leider, dass sie nichts für sich tun darf, sondern nur für andere. So hatte sie sich ihr Leben gut eingerichtet, indem sie für ihre Mutter oder meinen Bruder "da sein" musste, raus gehen, Kaffeetrinken, Shoppen, "damit er läuft" oder "damit sie auch etwas zu sehen bekommt". Jetzt "darf" sie nicht einfach sagen, dass sie dies gern für sich weitermacht, sondern "muss aus dem Haus, weil sie es mit (meinem Vater) nicht ertragen kann". Man schenkt ihr auch nie die richtigen Geschenke, es ist sehr wictitg für sie, dass sie sich nicht bedanken muss. Man schenkt ihr also etwas und hofft, dass die Beschwerde nicht zu laut ausfällt. ;)
    Ich finde das inzwischen nur noch traurig und wünsche mir, dass sie auch mal etwas genießen könnte.


    Zusätzlich wünsche ich mir natürlich, dass nicht die Feste, die wir nun miteinander verbringen müssen - alles bis auf Weihnachten hat sie inzwischen eingestellt, offiziell aufgrund des Todes meines Bruders - ohne Schreitiraden oder beleidigtem Sicht-Zurückziehen ablafuen, Bei letzterem raten mein Bruder und mein Vater dann gerne "was wir falsch gemacht haben". Letztes Jahr etwa habe ich Silvester das Abendessen zubereitet und Fleisch auf einer Platte angerichtet. Dann überlegte ich, ob ich erst die Platte ins Esszimmer bringen oder erst den Abfall entsorge und Entschied mich für ersteres. Als ich nach 2 min in die Küche kam, schrie meine Mutter mich an, warum der Abfall da noch liege und stapfte ins Bett. Sie ward nicht mehr gesehen und wollte auch nichts ins Schlafzimmer gebracht bekommen. Die beiden anderen konnten daraufhin nichts mehr essen und verbrachten den Abend damit, zu raten, was wir falsch gemacht hatten, und weiterer Ausbrüche zu verhindern (was könnten wir sonst noch falsch machen ;) ).
    Später behaupte meine Mutter, nachmittags gefallen zu sein und aufgrund der Schmerzen früh zu Bett gegangen zu sein, die Situation ist aber typisch und kam früher oft so ähnlich vor, wobei einem hinterher oft erklärt wurde, was man falsch gemacht hatte um das ganze zu verursachen.
    Es kann also sein, dass so eine winzige Entscheidung wie wann man den Abfall entsorgt zum Abbruch des Zusammenseins führt.
    Daher möchte ich gerne einen Plan haben, eine Idee, was man machen könnte, um so etwas zu minimieren und wenigstens ansatzweise etwas "Feierlichkeit" in den Weihnachtsabend zu bringen.


    Wir reden also nicht miteinander, weil man sehr schnell etwas falsches sagen kann, das zu Beleidigungen, Anklagen und Schreitiraden oder zum Zurückziehen meiner Mutter führt und weil sie zur Zeit meinen Bruder und Vater als "Staatsfeind" betrachtet, der alles falsch macht und sie nur provoziert. Bei meinem Bruder liegt bspw. die Annahme zugrunde, dass er zu wenig hilft, wenn er also nicht sofort nach der Ankunft wie ich in der Küche ist, sondern erst meinen Vater begrüßt, kann das schon zum Stimmungstief führen.


    Diese ganze Situation hat sich durch/ nach der Trauer massiv verschärft. Zwischendurch gab es mal eine Besserung, inzwischen macht sie die Trauer für dieses Verhalten (mit) verantwortlich. Tatsache ist sicher, dass mein verstorbener Bruder de-eskalierend auf sie gewirkt hat. Nur leider kann ich davon nichts übernehmen, weil er eben aufgrund seiner Behinderung bestimmte Sachen gemacht hat, die bei mir nur lächerlich wirkten (bspw. sagte er Sachen wie "du bist doch nicht hübsch, du musst dich nicht schminken", was meine Mutter dann zum Lachen brachte ;) ).
    Wir haben zur Zeit alle den Rückwärtsgang eingeschaltet, versuchen, etwas "devot" und eilfertig daher zu kommen, um "nichts falsch zu machen". Meine Mutter und mein Vater haben inzwischen so eine Art "Waffenstillstand, sie haben einfach nichts mehr miteinander zu tun und begegnen sich im Haus kaum.
    Mein Vater hat regelrecht Angst vor Weihnachten, ich bin einfach nur traurig, weil ich nicht möchte, dass beide den Rest ihres Lebens so verbringen und insbesondere, dass meine Mutter z sehr in diese Opferrolle rutscht und sich selbst gar nichts mehr gönnt.


    Falls jemand sich gefragt hat, warum die beiden in einem Haus wohnen: Das hat diverse Gründe und kann und darf auch von Seiten beider auf keinen Fall geändert werden.


    Ich wünsche mir aber dringend, dass meine Mutter insbesondere sich mal wieder etwas entspannen kann, wenigstens etwas Weihnachtsstimmung zulässt (für sich), ohne sich selbst und anderen diese völlig zu versagen.
    Mit einem Alternativplan hatte ich die Hoffnung, dass dies ansatzweise gelingen könnte.
    Für dieses Jahr habe ich schon einen Plan aufgestellt, der die gängigsten Fallen vermeidet, nun fehlt eben noch ein Alternativ-Ablaufplan, der nicht in den Mittelpunkt rückt, dass mit ihrem Sohn ihr ganzer Lebenssinn gestorben ist und sie nun nur noch von "Bürden" umgeben ist. :(


    LG
    von Sister

    Hallo Silvie,
    dass Du Dich jetzt schuldig fühlst, ist völlig klar, das geht den meisten so nach einem Tod, den man als zu früh empfindet (und die anderen Tode empfindet man meist als zu spät, bei denen macht man sich Vorwürfe, dass der Verstorbene noch so lange leiden musste :(
    Ich würde alles sammeln, was Du von Deiner Mutter noch weißt: Erinnerungen, Zitate, Lieblingsorte, Rituale, Bilder, Videos. Versuche, etwas aus ihrem Leben zu übernehmen, etwas, das ihr wichtig war, z.B. ein Lieblingsspruch, ein kleines Alltagsritual etc. So lebt ein Teil von ihr in Dir weiter.


    Versuche auch, mit Deiner Tanten und Deinem Onkel über Deine Mutter zu reden. Vielleicht erfährst Du noch etwas Neues.
    Mein Bruder starb auch just in dem Augenblick, als wir, die Familie, das Krankenhauszimmer verlassen hatten, damit er gelagert wird. Meine Mutter meinte dazu: Er hat sich heimlich davon gemacht, als keiner hinsah, er wollte keinen bevorzugen, so dass sich die anderen Vorwürfe gemacht hätten, weil sie nicht da waren. ;)


    Lege Dir ein Notizbuch ans Bett, falls Du von Deiner Mutter träumst und mache mindestens stichwortartige Notizen. Sonst hat man schnell alles wieder vergessen. Rechne nicht damit, dass dies jetzt sofort oder oft geschieht, aber hin und wieder.
    Vielleicht kannst Du einen festen Termin pro Woche oder Monat machen, zu dem Du Dich mit Tante und / oder Onkel triffst und Erinnerungen an Deine Mutter austauschst.


    Alles Liebe und viel Kraft von
    Sister

    Hallo,
    ich habe einiges gelesen über Familien, die nach dem Trauerfall nicht mehr Weihnachten feiern.
    Meine Familie macht das auch nicht. Der Trauerfall ist 2 Jahre her, im Oktober 2013 starb mein Bruder.


    Meine Familie ist sehr klein und hat wenig Zusammenhalt. Meine Eltern wohnen nach einer langen Trennung notgedrungen zusammen, weil mein Vater nicht mehr alleine leben kann, haben sich aber im besten Falle nichts zu sagen. Im schlechtesten Falle schreit meine Mutter rum.
    Mein noch lebender Bruder und ich sind Singles und verbringen Weihnachten bei den beiden, auch weil wir nur Winz-Wohnungen haben.


    Mein verstorbener Bruder hatte das Downsyndrom und war daher Mittelpunkt jeden Festes, Weihnachten war nach dem Nikolaustag sein Jahreshöhepunkt.


    Früherer Ablauf war:
    Morgens am 24. nichts tun bzw. mein Bruder und ich kommen in Haus meiner Eltern.
    Mittags Fahrt zur Kirche, kleines Getränk vor dem Gottesdienst, bombastischer Gottesdienst, Heimfahrt, Buffet vorbereiten (gekauft) oder große Lachsplatte etc. vorbereiten. Mein (verstorbener) Bruder "eröffnet das Buffet", man isst eine Kleinigkeit, danach 3 Stunden Bescherung, wobei jeder ein Geschenk unterm Baum wegnimmt, liest, für wen es gedacht ist, ihm das gibt, jeder noch mal rät, was das sein könnte und dem Beschenkten dann beim Auspacken zusieht, dann das Geschenk kommentiert oder ausprobiert wird und mein (verstorbener) Bruder das Papier einsammelt. Das letzte Weihnachten, das er erlebte, hatte eine zwei-abendliche Bescherung, weil so viele einzeln verpackte Geschenke da waren.
    Am nächsten Morgen dann großes Frühstück, Ausprobieren der "Mittelpunktgeschenke" wie iPad oder beim letzten Weihnachten bekam mein Bruder ein Keyboard, dass dann alle der Reihe nach ausprobiert haben. Dann Spaziergang für "die Erwachsenen" zum Ausruhen, dann wieder Abendessen, DVD schauen.


    So, nun wollte meine Mutter gar nichts machen, was mein Bruder gemocht hätte, weil sie das als Verrat empfand, also nicht schmücken, keinen Baum, keine Geschenke, kleines Essen.
    Jetzt kommen wir also von der Kirche nach Hause, machen ein kleines Essen, schauen evtl. eine DVD (die letzten in einem Jahr war das ein Film, der keinem gefiel), gehen ins Bett. Im ersten Jahr hatten wir eine Erinnerungsrunde über meinen Bruder. Im zweiten Jahr saßen wir eher nur so da. Ich hatte für jeden eine kleine Geschenkbox mit Kleinigkeiten vorbereitet, die am ersten Weihanchtstag geöffnet wurde, dann machte man aber weiter nichts.
    Mein verstorbener Bruder hatte sich gern in den Mittelpunkt gerückt mit Ansagen, Probst-sagen etc, und tatsächlich von sich aus eingeführt, dass man vor der Bescherung "an die Verstorbenen" (Großeltern) denken sollte. Darauf kam er ganz alleine.


    Nun fehlt mir aber irgendwie ein Ritual, das das Weihanchtsfest mit etwas Sinn erfüllt. Es müssen keine Geschenke sein, aber ich möchte nicht nach der Kirche nach Hause kommen und wissen, dass jetzt alle außer uns feiern.
    Irgendein Ritual, das den Abend füllt und im besten Falle nicht (nur) eine Trauerstunde ist, wäre schön. Da wir alle so "einzeln" sind, kommt es halt auch nicht zu Gesprächen, und wenn, zu kurzen. Früher haben wir auch mal Texte gesammelt und vor der Bescherung vorgelesen, aber auch diese Idee schlug letztes Jahr fehlt, die Resonanz war eher wie bei einer gelangweilten Schulklasse.
    Zu sagen ist noch, dass in den letzten Jahren alle unsere (5) Großeltern gestorben sind und kein einziger Tod, auch nicht der der Mutter meiner Mutter, die sehr eng mit der Familie lebte, das Weihnachtsfest beeinflusst hat.


    Wie könnte man das den Weihnachtsabend gestalten, so dass man ein besinnliches Zusammensein ohne Geschenke und ohne Trauer im Mittelpunkt hat?



    ("Ohne Trauer im Mittelpunkt" deshalb, weil jeder aus der Familie anders mit der Trauer umgeht, und mein Vater davon lieber nichts hören möchte, weil das zu viel für ihn ist, mein Bruder einfach der Ansicht ist, "im Himmel geht's ihm jetzt gut", und meine Mutter vieles schon vergessen hat und sehr überwältigt ist, wenn man ihr wieder etwas in Erinnerung ruft. Daher wäre Trauer im Mittelpunkt nicht so gut, weil am Ende alle ziemlich am Ende wären.)


    LG von
    Sister


    WIE soll bzw. kann ich mich psychisch schützen? ? Mein Vater hat sein Leben lang mit der Familie meiner Mutter gekämpft und ist daran zugrunde gegangen. Nun liegt er unter der Erde und seine (bereits zu Lebzeiten) undankbaren Kinder nehmen sein Erbe und mich (sein Lieblingskind) auseinander.


    Hallo Kosmos,
    diese Formulierung gibt mir als Geschwisterkind schon zu denken.
    Eigentlich sollten Eltern mehrerer Kinder das Wort "Lieblingskind" vermeiden.


    Kannst Du Dich mal mit den beiden anderen hinsetzen, einfach locker beim Kaffeetrinken oder so über Deinen Vater reden, darüber, wie jeder zu ihm stand, dass er jeden geliebt hat (und vielleicht Beispiele sammeln, was er an jedem geschätzt hat) und dass Du eben nicht sein Lieblingskind in dem Sinne warst, dass ihm die anderen beiden weniger wert waren?


    Vielleicht kann man dann auch über das Erbe reden, wie man es so aufteilen kann, dass jeder eingermaßen gesichert ist und jeder auch ein Andenken an Deinen Vater hat. Denn man soll sich ja doch später auch an ihn erinnern und nicht immer denken "ich habe mir das Geld gesichert und mehr ist nicht geblieben".


    Ich habe bei meinem Stiefvater erlebt, wie eine Familie tatsächlich nur ums Geld geschachert hat. Schon zu Lebzeiten kamen die Kinder nur, wenn es etwas gab, und zu Lebzeiten des letzten lebenden Elternteils bekam einer Kontovollmacht, der andere die Wohnung, beides wurde schnell herunter gewirtschaftet und dann verkauft. Nach dem Tod des letzten lebenden Elternteils ging es auch sofort zur Bank und danach gab es keinen Kontakt mehr. Unabsehbar war, dass jedenfalls meine Eltern sich dann auch noch trennen würden (wie es mit dem anderen Geschwisterkind ist, weiß ich mangels Kontakt nicht) und mein Stiefvater mit einer neuen Frau in einem weiter entfernten Bundesland enden würde, also im Alter kein Geld und gar keine Erinnerung mehr an seine Eltern hat (ein paar Fotos hat meine Mutter ihm einmal mitgegeben, das war alles, was ihm von seinen Eltern blieb). Die neue Frau hat zudem wohl kein Interesse, überhaupt über seine Vergangenheit zu reden, weder über die Eltern noch seinen verstorbenen Sohn.


    Er ist also jetzt im Alter ganz alleine und wenn ihn mal die Erinnerungen im Stich lassen, hat er auch keine Hilfe, in der Not ist eine Unterstützung durch seine Schwester nicht denkbar usw.


    Ich würde immer versuchen, doch noch einen Rest von Familie aufrecht zu halten, den Kontakt nicht ganz abbrechen zu lassen, keine Streitigkeiten zwischen die letzten verbliebenen direkten Verwandten zu bringen.
    Meine Mutter hat auch den Kontakt zu ihrer Schwester abgebrochen und jetzt nur noch Kontakt zu zwei entfernteren Verwandten ihrer Ursprungsfamilie.
    Das ist doch sehr schade.


    Ich würde versuchen, jetzt etwas zu klären, jetzt noch mal aufeinander zuzugehen, auch eine Regelung für späteren Kontakt zu verabreden, bevor Ihr irgendwann dasteht, und gar keinen mehr aus Eurer Ursprungsfamilie habt.
    Im Alter kann das doch einmal ein Thema sein, entweder ganz praktisch oder weil man dann doch wirklich Kontakt zu den Geschwistern braucht, um sich noch einmal auszutauschen, gemeinsam an Vergangenes zu erinnern - dazu gehören auch die wunden Punkte, die Fehler, die evtl. beide Eltern gemacht haben usw.


    Ich kann Dir nur raten, den Streit so lange es geht zu vermeiden, stattdessen auch Fehler Deines Vater einzugestehen und, wenn das geht, an schöne vergangene Momente zu erinnern und erst dann die Geld-Debatte zu eröffnen.


    Liebe Grüße von
    Sister

    Hallo Bjalla,


    natürlich geht jeder anders mit so einer Situation um.


    In einem Buch über das Sterben eines älteren Mannes (der wusste, dass er bald sterben würde und mit seiner Frau vorher alles Wichtige besprochen hat - das Buch wurde dann von der Frau nach seinem Tod geschrieben) habe ich mal einen Satz gelesen, der für mich sehr interessant ist.
    Der Mann sagte zu seiner Frau, "ich habe nie auf dem Friedhof gelebt".


    Mir persönlich gibt das auf den Friedhof Gehen auch wenig, ich halte mich da lieber an Fotos und persönliche Gegenstände.


    Mache das, von dem Du meinst oder weißt, dass es für Dich gut ist (und nur solange, wie es gut ist - nicht später aus Tradition oder so).
    Wenn es der tägliche Friedhofgang ist und das möglich ist (weil der Friedhof nicht zu weit weg ist), dann mache das doch!


    Von Deinen Freunden und Deiner Familie kannst Du nie erwarten, dass sie Dich vollkommen verstehen, einmal, weil man gewisse Gefühle gar nicht komplett verbalisieren und mitteilen kann, und auch, weil jeder anders trauern würde bzw. nie Deine Erfahrungen und Gedanken ganz teilen kann.


    Was Du aber machen kannst, ist, Deiner Familie und Deinen Freunden mitteilen, was Dir gut tun würde, und sie ggf. bitten, darauf Rücksicht zu nehmen, also über Deine Mutter reden, oder über Deine Gefühle nach dem Tod Deiner Mutter, über Fragen, die Dich beschäftigen, bei evtl. Ritualen an- oder abwesend zu sein (vielleicht hat Deine Mutter gern etwas mit Dir gemacht, das Du nun alleine oder mit anderen gern machen möchtest, oder Du hast ein bestimmtes Erinnerungsritual etc.).


    Manchmal kann es auch helfen, Freunden und Familie ganz konkret zu sagen, was sie sagen, machen oder lassen sollen, ohne dabei Schuldgefühle zu haben oder Vorwürfe zu machen.


    Also "kannst du mich mal in den Arm nehmen", "bitte sprich mit mir (nicht) über das Thema ..." usw.


    Alles Gute von
    Sister

    Hallo,


    im Oktober ist mein 30jähriger Bruder gestorben.
    Er hatte das Downsyndrom und wir wussten, dass seine Blutsauerstoffsättigung schlecht war, weshalb er seit Jahren Medikamente bekam.


    Er hatte immer wieder Bronchitis, was wir teils auf psychische Ursachen zurückführten - sobald er Stress hatte oder sich selbst machte, wurde er mal für ein paar Wochen krank.


    Anfang Oktober kam er nach 4 Wochen Krankschreibung, die er zu Hause verbracht hatte, spontan ins Krankenhaus, weil er nach eigenen Angaben keine Luft mehr bekam.
    Dies war eigentlich eine spontane Entscheidung, weil der Hausarzt am Mittwoch nicht geöffnet hatte.


    Er hatte seit Jahren Probleme mit dem Laufen, was abwechselnd auf psychische Ursachen, Verweigerung, Übergewicht & Bequemlichkeit, einer Fußverletzung und Ödemen zurückgeführt wurde.
    Er wollte dann auch nicht vom Zimmer im Erdgeschoss zum Auto laufen, wurde dann aber von meiner Mutter überredet, es langsam zu versuchen (statt dass wir den Rollstuhl, der für Notfälle da war, aus dem Kofferraum hätten hieven müssen, um ihn zur Haustürtreppe zu fahren).


    Im Auto ging es ihm sofort besser, weil wir auf dem Weg ins Krankenhaus waren (er war "Arzt-Fan").


    Im Krankenhaus gab es erst mal einen Leihrollstuhl und er sagte bei der Aufnahme "Hilf mir!" sehr eindringlich.


    Dann ging es zur Eingangsuntersuchung und er war nur am Lachen und Scherzen, weil nun überall Ärzte waren.


    In den folgenden drei Wochen war er zweimal auf der Intensivstation, wo er Sauerstoff durch verschiedene leichte und "schwere" (am Kopf festgebundene) Masken bekam und die Werte ständig gemessen wurden und schlecht waren.
    Zwischenzeitlich auf der normalen Station, wo er nur eine Nasenbrille bekam und nichts mehr gemessen wurde.


    Nachts war immer jemand bei ihm, wir waren aber alle extrem übermüdet und speziell ich hatte auch das Gefühl, ich würde etwas falsch machen, da er bei mir nachts nie schlief.
    Erst nach seinem Tod erfuhr ich, dass er das auch in den 4 Wochen zu Hause nicht getan hatte.


    Zudem sagte er mir mal nachts "ich kann nicht mehr", was ich mit den (müden) Worten quittierte "du sollst ja auch nicht können, du sollst schlafen".
    Am Abend nach seinem Tod erfuhr ich von meiner Mutter, dass er diesen Satz wohl immer gesagt hatte, wenn er keine Luft mehr bekam.


    Im Krankenhaus bekamen wir keine definitive Diagnose oder Erklärung (im Gegenteil, wir störten, da immer ein Angehöriger da sein musste, da mein Bruder sonst extreme Angst bekam).


    Kurz und gut: Nach seinem Tod, der dadurch beschleunigt wurde, dass meine Eltern beschlossen, alle Medikamentengaben zu unterlassen und nur noch die leichte Sauerstoffmaske aufzulegen, googlete ich mal "zu viel Kohlendioxid im Blut" und stellte fest, dass viele der Symptome, die er vorher und im Krankenhaus gezeigt hatte, dadurch zu erklären waren, z.B. extremes Schwitzen und nächtliche Angst (die ich auf fehlendes Vertrauen mir gegenüber zurück geführt hatte).


    Ich war in den ersten Nächten auch öfter recht ungeduldig gewesen, da ich nur 3 Stunden am Tag schlafen konnte und nachts maximal 20 min am Stück, dann wurde ich geweckt.


    In der letzen Woche war ich eine Nacht bei ihm, in der es abwechselnd auf und ab ging und er plötzlich ein Zittern und Händen und Füßen hatte, von dem ich anfangs nicht wusste, ob das Absicht von ihm war (er veralberte die Leute gern), bis er sagte, er könne das nicht kontrollieren.
    Er bekam dann Sauerstoff und wie ich hinterher er-googelte, war dies schon eine Unterversorgung der Extremitäten (was keiner sagte).
    Ansonsten war er abwechselnd guter Dinge, panisch, extrem wütend bis ängstlich über die Nachtschwester, die ihm über eine Kanüle - eigentlich schmerzlos - Blut abnahm (da traten die Augen hervor und er schrie, die wolle ihn umbringen).


    Allg. ist sehr viel schiefgelaufen im Krankenhaus, was nicht hätte sein müssen:
    Er wurde beim Hintern-Abputzen durch einen Pfleger wundgescheuert, die Therapie auf der normalen Station nicht weiter geführt, kein Sauerstoffgehalt mehr gemessen, wir bekamen keine Informationen, erst nach 6 Nächten ein zweites Bett für den Betreuer ins Zimmer, es wurde entweder uns oder auch der normalen Station nichts über seinen Zustand gesagt - mir wurde eine Woche vor seinem Tod von einer Nachtschwester gesagt, er könne in der Folgewoche wohl entlassen werden - er wurde teils grob behandelt (Maske überstreifen ohne Ankündigung) und am schlimmsten waren mehrere unbedachte Aussagen von Ärzten und Pflegern vor ihm etwa "wenn wir die Maske abnehmen, dann stirbt er" oder "wenn er nicht aufhört, sich die Kanülen abnehmen zu wollen, kann ich die Hände auch festbinden" oder "Wenn er das nicht schluckt, stecke ich ihm einen Schlauch in die Nase".


    Das alles hat er voll mitbekommen und die Drohung, die Hände festzubinden, noch ein paar Stunden vor seinem Tod.


    Am Sonntagabend vor seinem Tod am folgenden Freitagmorgen war ich bei ihm für die Nachtwache und las ihm die "Speisekarte" für die Folgewoche vor (Essen war Lieblingsbeschäftigung) und er meinte bzgl. des Gerichtes am folgenden Sonntag "das interessiert mich nicht mehr".
    Ab dem Montag aß er dann nichts mehr, was für ihn extrem ungewöhnlich war und keinen der Ärzte oder Pfleger interessierte.


    Am Mittwoch war ich nachts da und ab Mitternacht bekam er nichts mehr zu trinken, da die Tagesmenge schon überschritten war (und musste bis zum Morgen warten).


    Das wäre nicht nötig gewesen, da die Ärzte wohl wussten, dass er das Krankenhaus nicht mehr lebend verlässt.


    Ich durfte mit ihm den letzen wachen Moment alleine verbringen; er lag Donnerstagnachmittag unter der schweren Maske, unter der er nicht reden konnte, und war quasi im C02-Koma.
    Ich habe dann eine Stunde gesungen und er kam stückenweise zu sich, erst bewegte sich ein Finger, dann eine Zehe, ein Arm, die Beine usw. und am Ende setzte er sich zum ersten Mal seit ein paar Tagen alleine auf und sah mich sehr wach an und verstand mich auch (Kissen festhalten, nicht die Maske abnehmen) - leider kam dann der Pfleger, der die Hände festbinden wollte.


    Als der Rest der Familie wieder ins Zimmer kam - dazwischen lag ein Arztgespräch, in dem die Entscheidung, alles bis auf die leichte Maske abzustellen,gefallen war - lag er zwar ohne Kanülen, dafür mich Blut von den Händen auf den Kissen und Händen und bewusstlos mit der leichten Maske im Bett. Vermutlich hatte der unsensible Pfleger ihm grob die Kanülen abgenommen und ihm ein Schlafmittel verpasst.


    Er hatte über die ganze Zeit immer "mein Schleim" gesagt, teils auch 20 Mal nacheinander mit Wasser ausgespült etc.


    Nun brachte meine Mutter die Überlegung ein, ob die akute Sauerstoffunterversorgung nicht durch einen Schleimpfropfen im Hals bedingt gewesen sein könnte und er daran erstickt ist.


    Auf die Idee, nach einer Absaugung des Schleims zu fragen, kam aufgrund der Übermüdung auch keiner von uns, bzw. ich selbst dachte, dass die Ärzte schon alles Nötige einleiten würden.


    Nun ist es seitdem so, dass ich mich in einem Wechselbad der Gefühle zwischen extremer Trauer (Weinen), dem Gefühl "es ist besser so" (vermutlich hätte er nur unter Schmerzen und großen Entbehrungen weiterleben können - z-B. hatte er die ganzen 3 Wochen einen Katheter, der nicht zwischendurch mal gewechselt wurde...) und dem kompletten Vergessen, dass er überhaupt gestorben ist (ich wohne nicht mehr im Elternhaus).


    Hinzu kommt, dass ich unsicher bin, WAS denn nun das "angemessene" Gefühl sein sollte.
    Auch so etwas wie eine Angst davor, zu wenig zu trauern, also zu wenig traurig zu sein.


    Dann las ich kürzlich eine esoterischen Text, in dem behauptet wurde, dass "Trauer die Toten an die Trauernden bindet" und ihnen quasi einen Neuanfang irgendeiner Art verwehrt. Klick.



    Dazu kommen natürlich Selbstvorwürfe über das, was so im Leben und speziell im Krankenhaus auch von meiner Seite alles falsch gelaufen ist bzw. besser hätte laufen können.
    Aufgrund der Behinderung hat er natürlich öfter mal genervt, stand im Vordergrund, man hat ihm nicht so aufmerksam zugehört, wie man gekonnt hätte bzw. ihn nicht immer ernst genommen, weil er es schon sehr gut verstand, sich selbst in den Vordergrund zu rücken bzw. in der Familie auch den "Behindertenbonus" hatte (das und das können wir nicht machen, weil er das nicht kann/ will/ dann nervt" usw.


    Zur Zeit warte ich auf ein Abschlussgespräch mit seinem Hausarzt, bei dem die Krankenhausakten vorliegen werden und evtl. die Hypothese des Erstickens durch Schleim etc. ausgeräumt werden kann.
    Dazu ist allerdings meine Mutter noch nicht bereit.


    Mein drängendstes Problem ist der Umgang mit der Trauer - ist zu viel oder zu wenig Trauer falsch - und der Umgang mit den unausweichlichen Selbstvorwürfen - "hätte ich doch mehr...".


    Wie geht Ihr mit solchen Sachen um?


    Alles Gute von
    Sister