Beiträge von stiller

    Liebe Mäusi,

    das hast du ja wieder einmal sehr schön auf den Punkt gebracht.
    Ist besser als jede Weihnachts - oder Neujahrsansprache die ich je gehört habe.
    Dem dicken Danke ans Funny kann ich mich nur anschließen.


    Aber etwas fehlt naturgemäß in deinem Text. Das genauso dicke Danke an dich.
    Hier ist es:
    DANKE LIEBE MÄUSI !


    Liebe Grüße an dich
    und die besten Wünsche für die Gegenwart (was anderes gibts nämlich überhaupt nicht ;) ) an alle hier
    Rolf

    dass ich hier hereingestolpert bin, nicht wusste was ich hier überhaupt wollte.
    Weil ich eigentlich überhaupt nichts mehr wusste - außer: Dass mein allerliebster Mensch nicht mehr bei mir war.


    So unglaublich lang ist es her, dass ich nach dem ersten Jahr merkte, dass die Verzweiflung einer lähmenden Ratlosigkeit und einem Gefängnis eines gefühlten Stillstands und vollkommener Richtungslosigkeit gewichen war.


    Und lang ist es auch her, dass sich im Laufe der Zeit fast so etwas wie eine Gewöhnung einstellte an die mal häufigeren, mal selteneren und mal überfallartigen oder auch schleichenden Abstürze in Trauer und Wehmut und in Sehnsucht nach dem, was einmal war, heimsuchten.


    Ja, und auch die Überraschung, dass sich irgendwann die Trauer ohne ein Wort des Abschieds aus dem Staub gemacht hatte, liegt schon einige Zeit zurück. Wann genau das war, weiß ich nicht, denn zuerst habe ich diese ungewohnte Ruhe ja nur als den Beginn einer abermaligen Pause zwischen den 'Anfällen' betrachtet.


    Es hat einige Zeit gedauert bis mir klar wurde, dass sich wirklich etwas verändert hatte. Das Durchstehen und das bewusste Erleben der vielen Tage, Wochen und Monate hat mich in meinem 'neuen' Leben ankommen lassen, hat mich es annehmen lassen.


    Dabei ist es gar nicht so sensationell neuartig, sondern banal und alltäglich neu. Na gut, ich bin jetzt Rentner - na und? - das wäre ich jetzt auch wenn Anna noch hier wäre. Und mit unseren Kindern und Enkeln auf einem Haufen gelebt habe ich auch schon 'vorher'. Meine freiberufliche Arbeit mache ich immer noch, aber ohne dabei in Stress zu geraten. Es gibt also gar kein wirklich neues Leben, erst recht keine neue Partnerschaft. Ich denke auch nicht, dass ich eine suchen werde, weil ich weiss, dass es Dinge im Leben gibt die man nicht suchen, sondern allenfalls finden kann. Oder von denen man gefunden werden kann - keine Ahnung was von beidem es wirklich ist.


    Aber ich schweife ab. Denn es geht ja um die lange Zeit.


    Eine Zeit, in der ich in der Tat einiges gefunden habe.
    Zu allererst einige Menschen, die ich hier getroffen habe, die mir geholfen haben durch ihr pures Da-sein. Gefunden habe ich aber auch vieles in mir selbst, das ich vorher nicht kannte. Eigenschaften oder Fähigkeiten, die ich jahrzehntelang nicht brauchte, weil meine zweiten hundert Prozent (gefällt mir besser als die zweite und viel besser als die sog. bessere Hälfte ;) ) den entsprechenden Part ausgefüllt hat.


    In der letzten Zeit - und auch das sind inzwischen schon etliche Monate - habe ich festgestellt, dass dies hier für mich nicht mehr der richtige Platz zu sein scheint. Es fehlt nicht nur der Antrieb hier zu lesen, hier Tag für Tag unterwegs zu sein, geschweige denn etwas zu schreiben; es fehlt auch die Überzeugung, dass ich hier noch irgendeinen sinnvollen Beitrag zustande bringen kann.


    Es geht nicht darum, dass mir der Bezug verloren gegangen wäre, denn ich weiss nur zu gut, wie es einem gehen kann, wenn man den liebsten Menschen verloren hat. Aber ich weiss auch um die Gewissheit, die ich immer gespürt habe, dass mir niemand wirklich helfen kann. Außer ich mir selbst. Wobei helfen eigentlich auch nicht das richtige Wort ist, weil es genau genommen überhaupt keine Hilfe im Sinne eines aktiven Tuns gibt. Man muss es selbst machen. Selbst weitermachen, selbst schreien, toben und verzweifeln, selbst hinfallen, selbst es aushalten, selbst wieder aufstehen.
    Es gibt allerdings eine passive Hilfe, das mitfühlende bei und mit jemandem Sein, das ich hier gefunden habe. Das macht das Schreien, Toben, vor allem das wieder Aufstehen vielleicht etwas leichter. Voraussetzung ist aber für mich, zu wissen, dass der (oder die) Mitfühlende das Ähnliche empfindet, wie das was ich gerade durchlebe.
    Und genau das ist der Haken: Ich fühle mich inzwischen anders. Ich bin woanders.
    Den elder statesman mag, kann und will ich nicht spielen, das käme mir einfach nur überheblich und auch vollkommen sinnlos vor.


    Aber ohne ein Wort, still und leise verschwinden will ich auch nicht. Das käme mir geradezu schäbig vor.


    Und deshalb möchte ich mich bei euch von Herzen bedanken und euch alles Glück und alle Liebe wünschen, die es auf diesem wundersamen Fleckchen des Universums gibt.
    Und ich möchte euch, wenn das denn geht, Mut machen. Obwohl ich überhaupt kein Patentrezept habe. Nur meinen naiven Glauben an die Zeit, an meine Sturheit und meinen Willen nicht klein beizugeben.
    Findet (nicht suchen! s.o. :) ) euer eigenes Rezept oder stolpert drüber und lasst euch von der Zeit überraschen.


    Alles Liebe <3 :knuddeln:
    Rolf

    ja liebe Frieda,
    es ist so wie du sagst:
    Es gibt immer für etwas die richtige Zeit und es ist nicht einfach zu gehen.
    Es geht mir schon seit längerer Zeit so, dass ich denke, dass es längst an der Zeit ist zu gehen, oder ich sogar schon den Punkt verpasst habe an dem ich mich verabschieden sollte.


    Aber einfach so, ohne irgendein Wort darüber zu verlieren, zu gehen finde ich falsch.
    Das geht irgendwie nicht, fühlt sich verkehrt an, denn dazu war über die Jahre dieses Forum für mich viel zu wichtig.
    Es war wichtig, weil mir die Menschen und ihre Worte und Gedanken unglaublich viel dabei geholfen haben, mit meinem Verlust, mit dem Schmerz und der Ratlosigkeit, letztlich mit mir selbst klarzukommen. Und das betrifft nicht nur Menschen, mit denen ich direkteren Kontakt hatte, sondern auch sehr viele mit denen ich nie auch nur einen einzigen Satz gewechselt habe.


    Und darum danke ich euch allen.
    Weil ihr immer 'da' wart.
    Ich wünsche euch, dass ihr euren Weg findet.
    Und übrigens, ich denke ihr habt ihn schon gefunden. Es ist genau der, auf dem ihr gerade seid.
    Geht einfach nur weiter :) :knuddeln:
    Alles Liebe
    Rolf

    Ja, ich denke schon, dass es auch in der Trauer Momente des Glücks gibt.


    Ich erinnere mich genau an den Augenblick, als ich zum ersten Mal, zu der Zeit als ich noch meistens im emotionalen Tiefflug unterwegs war, wieder von einer Welle des Glücks erfüllt wurde.
    Das war der Moment als ich bei der Neuanlage 'unseres' kleinen Gartens plötzlich genau wusste, wie er werden sollte, wusste, dass dieses Bild das ich mir vorstellte eines war, das meiner Liebsten gefallen hätte. Oder an einen Morgen als ich auf einer sonnenbeschienenen und von Birken gesäumten Landstraße mit dem Auto unterwegs ins Unbekannte war und ich voller Vertrauen war, dass dieses Unbekannte etwas Gutes sein würde, ohne zu wissen warum ich mir dessen so sicher war.


    Das Gemeinsame dieser Augenblicke war, glaube ich, dass es Augenblicke waren, in denen ich das tiefe und sichere Gefühl hatte, dass das was da gerade geschah, genau richtig war, dass es so wie es war vollkommen und in Ordnung war. Dass es ein Geschenk war, diesen Moment erleben zu dürfen, und genau zu wissen, dass es das ist, was mein liebster Mensch mir immer gewünscht hat.

    Hm, ich weiß garnicht was ich dazu sagen soll.
    Denn irgendwie will dieser Gedanke 'was wäre wenn' bei mir nicht funktionieren.
    Es entstehen einfach überhaupt keine Bilder in meiner Vorstellung, die für Anna einen Sinn oder ein lebenswertes Leben ergeben hätten.


    Ich glaube, das liegt daran, dass das Leben, das sie in dem letzten Jahr vor ihrem Tod hatte, schon das Realität gewordene 'was wäre wenn' war, nachdem sie das Krankenhaus nach etlichen Wochen künstlichem Koma, zur Unselbständigkeit verdammt, im Rollstuhl verlassen hatte.


    Während dieser Krankenhauszeit da gab es solche Überlegungen am laufenden Band: Was wäre, wenn sie es doch schafft wieder aufzuwachen, wenn sie doch noch einmal aus dem Krankenhaus, dem Ort an dem sie nie wieder sein wollte, herauszukommen könnte. Und da gab es auch all diese Überlegungen, mit welchen Handikaps oder Einschränkungen das verbunden sein könnte - natürlich auch mit der unkaputtbaren Hoffnung, dass es wieder so werden könnte wie es vorher war.


    Sie schaffte es - und sie bekam mit dieser am Ende einjährigen Zugabe nicht nur die Möglichichkeit den 'nagelneuen' dritten Enkel, der 3 Tage bevor sie das Krankenhaus verließ, geboren wurde, noch eine Zeit lang mitzuerleben.
    Sie bekam aber auch ein für sie unerträgliches Leben, das für sie nicht Leben, sondern nur ein Existieren und Aushalten war.


    Und deshalb war ihr Tod alternativlos. Gedanken an ein weiteres, ein erneutes 'was wäre wenn' erübrigen sich für mich.


    Es mag sein, dass sich das lieblos und kalt anhört. Aber ich weiß, dass es genau das Gegenteil ist.


    Es ist für mich so wie Frieda schreibt: es ist gut so wie es ist.

    Vor ein paar Tagen haben meine Kinder und ich darüber gesprochen, ob wir denn nicht wieder einmal an 'Annas' Waldsee fahren wollen, und haben aufgrund der Wettervorhersage entschieden, dass wir das ja am besten am Sonntag machen könnten.


    Das habe wir dann gestern auch getan.


    Erst als wir dort im Wald anhielten, habe ich beim Blick auf die Armaturenanzeige gesehen, dass es der 13. war und es nun schon 3 1/2 Jahre her ist, seit Anna gegangen ist. Doch weder dieser Zeitraum noch die überraschende Feststellung, dass ich mich für diesen Ausflug nicht nach dem Datum, sondern nach dem passenden Wetter entschieden hatte, hat mich beeindruckt oder gar erschüttert.


    Da war eher eine stille Freude, ein erleichtertes zur Kenntnis nehmen einer Veränderung, die mir vor so vielen Monaten und für so lange Zeit unvorstellbar erschien.


    Wenn ich sagen sollte, was diese Veränderung bewirkt hat, dann fallen mir mehrere Dinge ein:
    - Anna, die mich in meiner Erinnerung, mit ihren Bildern, mit ihrer Präsenz in vielen Gesprächen über sie, und unzähligen Momente der Berzugnahme auf ihr Verhalten noch immer begleitet - auch wenn ich nie ihre Gegenwart spüre,
    - die Zeit, die ich durchschritten habe/die mich bis hierher getragen hat,
    - meine Familie, mit der ich so eng zusammen lebe,
    - Menschen, die mir auf meinem Weg begegnet sind, die für mich ohne Plan und Ziel, ohne gegenseitige Erwartung, auf eine mir unerklärliche Weise einfach 'da' sind, und für die ich 'da' sein darf.
    - und natürlich dieses Forum, das für mich ein fester Ankerplatz war in den Zeiten, in denen ich in Sturm und schwerer See umherirrte.


    Ach ja, und noch etwas hatte sich verändert.
    Die Natur hat den Platz, an dem ich die Asche meines liebsten Menschen verstreut habe, umgestaltet. Sie hat dort ein zeltartiges Haus errichtet, mit einem richtigen Eingang und einem gegenüber vorher viel niedrigeren Blätterdach.
    Es ist ein kleiner beschützter Raum, in dem neuartige Pilze wachsen, in dem noch immer die kleinen Moosfiguren stehen und in dem sich wieder - wie 'damals' an Ostern - viele kleine Frösche tummeln.


    Wenn es überhaupt einen materiellen Ort gibt, an dem Anna ist, dann ist es genau der.
    Fühlt sich gut an.

    Ich denke, mit den Spielen ist es wie mit der Medizin.
    Die Menge macht das Gift.
    Ich weiß, dass ich selbst - vor über einem Jahr war das, glaube ich - eine sehr hohe Dosis des Gifts brauchte, um irgendwie über die Runden zu kommen.


    Damals hieß das Gift 'Kaffeehaus'.
    Es half mir aus dem immerwährenden Gedankenkarussel heraus, hat mich in Kontakt mit Anderen gebracht und mich wieder lauthals zu lachen gelehrt.
    Die Überdosis 'Kaffeehaus' hatte aber massive Nebenwirkungen.
    Dummerweise weniger für mich, sondern für andere hier im Forum, die mit dieser Art und vor allem mit dieser Unmenge von für ihr Empfinden deplaziertem Frohsinn, mit dieser Oberflächlichkeit nichts anfangen konnten. Die sich nach über 600 Seiten in diesem einen thread dagegen zur Wehr gesetzt haben.
    Das haben sie, wie ich inzwischen meine, mit vollem Recht getan. (habe ich damals nicht verstanden, aber ich bin ja lernfähig [?])


    Dies ist eben ein Trauerforum, in dem es zwar nicht nur tief traurig und bierernst zugehen muss (nicht umsonst gibt es den Satz 'Lachen ist die beste Medizin'), in dem es aber ein angemessenes Verhältnis von Ernsthaftigkeit und Lockerheit geben sollte.
    Die Frage, was denn angemessen ist, kann man sicher diskutieren, aber ich überlasse dies gerne dem Fingerspitzengefühl, der Erfahrung und Einschätzung unserer lieben admins und Fähnchentägerinnen. :)


    AL
    Rolf

    Also, ich sehe es so:


    Ich kann sehr gut verstehen, dass der Titel irritierend sein kann, wenn man zeitlich noch sehr nah an dem Verlust eines geliebten Menschen steht, es ging mir ganz ähnlich.
    Aber - auch wenn das zunächst unvorstellbar erscheint - man trauert nicht ewig.


    Nein wirklich nicht. Man vermisst, aber Trauer und Vermissen sind nicht das selbe, und ich denke, dass sogar das Vermissen weniger wird. Weil das Erinnern an all das, was einmal war, letztlich viel stärker wird als der Verlust.
    Das mag sich abgehoben anhören, vielleicht sogar lieblos. Aber das ist es nicht.
    Das Leben und die Liebe, die man im Leben erfahren hat und erfahren kann (denn das gilt eben nicht nur für die Vergangenheit) sind viel stärker als der Tod.


    Dass ein plötzlicher oder ein sich ankündigender Tod einen Unterschied macht, glaube ich nicht.
    Ich habe oder hätte im Grunde über Jahre wissen können, dass ich den Tod meiner Liebsten erleben würde, aber der Augenblick, als ich erkennen mußte, dass genau dieser Augenblick nun gekommen war, hat mich wie ein Bltzschlag getroffen!
    Ob mit oder ohne Ansage, es macht keinen Unterschied.


    Was bleibt, ist das 'nie wieder', das 'warum', vor allem aber das 'was nun', oder das 'was soll da nun noch kommen?' Doch das stimmt nicht ganz, denn es bleibt eben nicht.
    Weil das Leben einfach weitergeht, nicht wirklich einfach, aber es geht weiter. Ob man will oder nicht, oder vielleicht auch weil man es will.


    Und diesen Zustand kann man m. E. sehr gut "nach der Trauer" nennen.

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    Ach Anna,
    als wir das Album rauf und runter hörten, war mir gar nicht bewußt, dass Glück sich genau so anfühlt wie die Zeit in wir diese Musik in deiner schrottigen Bude voller Wärme hörten, und ich wußte auch nicht -weil ich weder so genau auf den Text geachtet habe noch Hellseher bin - dass das mal ein Leitmotiv werden würde, das in beide Richtungen für uns passen könnte.
    Show me the way.
    Es war ein guter, aufregender, schwieriger und schöner Weg <3

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    gefällt mir immer noch und immer wieder

    Liebe Frieda,
    ich glaube, ich weiß ziemlich genau wie sich dieser zerrissene Gefühlsmischmasch anfühlt.


    Bei mir ist es ja auch der 13. (und die Nacht vom 12. auf den 13.), aber dieses Mal ist es eigentlich nur ein ganz normaler Donnerstag, und nebenbei der Geburtstag meiner jüngeren Schwester.


    Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass ich 3 Monate 'Vorsprung' dir gegenüber habe.
    Glaube ich zwar nicht wirklich, aber die Vorstellung gefällt mir.
    Denn das hieße ja, dass du auch in 3 Monaten einen weniger mulmigen 13. hättest.
    Ich wünsch es dir von Herzen. :knuddeln:
    Alles Liebe
    Rolf

    Was für eine wundervolle Frage.

    Das Schönste daran ist, dass ich keine Antwort darauf habe, die mich wirklich überzeugt.

    Natürlich gäbe es alle möglichen äußerlich plausiblen und nachvollziehbaren Gründe, die ich anführen könnte.
    Z.B. dass ich sehen möchte, wie mein kleiner Enkel morgens voller Elan den Flur hinunterwetzt, weil er in den Waldkindergarten starten möchte oder etwas ganz Wichtiges aus seinem Zimmer holen will, dass ich mich um organisatorischen Kram unserer WG kümmern, die Wäsche waschen oder etwas einkaufen will, oder, oder, oder.
    Aber wirklich überzeugen tut mich das nicht, weil ich oft 'einfach so' aufstehe. Ohne einen erkennbaren oder bewußten Grund.
    Es gibt keine to-do Liste, es gibt keinen Plan, es gibt weder Durst noch Hunger oder irgendwelche handfesten Motive die mich in Bewegung bringen. Da steigt einfach der Gedanke in mir auf, "ach, ich steh jetzt mal auf". Das mache ich dann - und das Leben nimmt seinen Lauf.


    Bei dem Versuch diese Frage zu beantworten komme ich mir vor, wie einer der beiden kleinen Fische in einer berühmten Rede von David Foster Wallace, in der diesen jungen Fischen ein alter Fisch begegnet, der sie begrüßt mit den Worten:
    "Morning boys. How is the water?"
    Und die beiden, als der Ältere weitergeschwommen ist, sich etwas verdutzt ansehen und der Eine zum Anderen sagt: "What the hell is water?"


    Die Antwort ist so selbstverständlich um mich herum und in mir selbst, dass ich unfähig bin sie zu erkennen. Ich lebe in ihr.


    Keine Ahnung, ob das überhaupt verständlich ist. Wie auch? Ich verstehe es ja selbst nicht.


    Alles Liebe
    Rolf

    Ich muss das mal hier loswerden

    Es ist etwas sehr Banales, eigentlich sind es nur drei Worte:


    Alles ändert sich.
    ALLES.
    Ja, wirklich alles.


    Und weil das so ist, kann ich mit Sätzen wie 'die Trauer wird immer bleiben', oder dieses oder jenes wird immer für mich so oder so bleiben, nichts anfangen.
    Nicht nur das, sie regen mich auf, machen mich zuweilen regelrecht sauer und aggressiv.
    Natürlich ist das mein eigenes Problem - wenn es denn überhaupt eines ist.
    Und damit es ganz klar ist:
    dies ist in keinem Fall als Vorwurf oder Angriff gemeint gegenüber denjenigen, die so reden oder schreiben.


    Was mich daran aufregt ist, dass es so selbstgewiss daherkommt, geradezu wie eine gewünschte selbsterfüllende Prophezeihung. So als wolle man, dass das, was man beklagt, immer so bleiben soll wie es gerade ist.
    Warum überhaupt? Soll das ein Beweis für die Größe einer Liebe sein? Und wenn ja, wem will man das beweisen? Und wozu soll dieser Beweis gut sein?


    Liebe kann ich doch nur 'beweisen' in dem was ich tue. Für jemanden. Oder gemeinsam, miteinander.
    Wie sollte sich der Mensch, den ich verloren habe, jetzt geliebt fühlen? Dadurch dass ich dauerhaft leide? Ganz sicher nicht.
    Anna hätte mich gefragt ob ich noch alle Tassen im Schrank habe und gesagt ich solle sie gefälligst mit derartigem Unsinn verschonen. (so vergleichsweise zurückhaltend hätte sie das bestimmt nicht formuliert ;) , denn ich weiß, sie wäre stinksauer gewesen)


    Für jemanden, der noch am Anfang oder mitten in der Trauer steht, könnte einiges in diesem Text inakzeptabel und eine herbe Zumutung sein, das ist mir sehr bewusst. Zumal ich selbst vor 3 Jahren gedachtt und auch so empfunden habe, dass das Elend und die Trauer nicht enden wird.


    Aber das stimmt nicht (mehr), denn das Schöne und Mutmachende ist:


    Alles ändert sich.
    Die Trauer geht, sie verläßt einen.
    Was bleibt ist
    Liebe

    Irgendwo hier habe ich mal etwas geschrieben, so in der Richtung, mit dem Wort Sehnsucht könne ich nicht viel anfangen, weil sich Sehnsucht für mich auf etwas beziehen müsse, das auch real erreichbar sein müsste. Und weil die verstorbene Liebste ja nun unerreichbar ist, sei Sehnsucht nach ihr ja vollkommen unsinnig. Oder so ähnlich.


    Vermutlich war genau das ziemlicher Unsinn, selbst wenn ich in dem Moment so gedacht oder gefühlt habe.
    Inzwischen habe ich gemerkt, dass Sehnsucht viele Gesichter haben kann.
    Gesichter, die sich manchmal schwer auseinander halten lassen. Sehne ich mich nach genau und nur diesem einen besonderen Menschen?
    Oder ist es das, was dieser Mensch für mich war, was ihn für mich so einzigartig und bedeutend gemacht hat? Beides ist nicht zwangsläufig das Gleiche.
    Die Einzigartigkeit liegt nämlich darin, dass er mir etwas gegeben hat, das niemand sonst mir zuvor gegeben hat und das ich unbedingt brauchte wie die Luft zum Atmen. (hatte ich vielleicht deshalb so lange Zeit das Gefühl, nicht mehr richtig Luft zu bekommen?) Und was ich jetzt brauche, ist mit einiger Sicherheit etwas anderes als 'damals', weil ich jetzt nicht mehr der bin der ich mal war.


    Nun, die Atmung ist inzwischen wieder normal.
    Geblieben ist aber das Bewußtsein, etwas Unwiederbringliches verloren zu haben.
    Und das ist nicht nur unwiederbringlich, weil dieser besondere Mensch nicht mehr lebt, sondern das ist deshalb so, weil ich alles Mögliche, unabhängig von dem Menschen, der nicht mehr da ist, überhaupt nicht ein weiteres Mal erleben kann.
    Denn wir haben Jahre und Jahrzehnte durchlebt, die mich geprägt haben, mich zu dem gemacht haben, der ich jetzt bin - und nichts aber auch wirklich überhaupt nichts auf dieser Welt ist wiederholbar.
    (und das ist auch gut so)


    Es ist wie mit einem Buch, in dem die meisten Seiten schon beschrieben sind.
    Vor mir liegt ein kleinerer Teil unbeschriebener Seiten dieses Buches.
    Fertig bin ich also noch nicht.
    Aber das Meiste ist geschrieben, und alles was danach noch kommt oder kommen könnte, wird Bezug haben müssen zu den vielen Seiten, an denen der wichtigste Mensch in meinem Leben mitgewirkt hat.
    Und deshalb denke ich auch, dass Witwer/Witwen nicht einfach sind, dass es in einer neuen Beziehung sehr viel Liebe bedarf.
    In der es vielleicht so eine Art tiefer posthumer Freundschaft oder Sympathie zu einem/er Toten braucht, weil so vieles von dem verstorbenen Partner einen selbst zu dem gemacht hat der/die man jetzt ist.


    Aber es ist wie immer: Wissen tue ich überhaupt nichts.