Lieber Ralf,
ich danke dir für deine ausführliche Beschreibung. Du hast es ganz richtig gesagt: Das Problem liegt immer in irgendeiner Form bei dem Betroffenen.
Dazu teile ich dir eine Art Gleichnis mit, das der Arzt eines mittlerweile verstorbenen Arbeitskollegen ihm einmal erzählt hatte:
Es ist Halbzeit bei einem Fußballspiel. Zwei Ordner mit einem Hund umrunden das Spielfeld. Als sie die Zuschauertribüne erreicht hatten, wirft ein Zuschauer eine Bierflasche nach ihnen. Zum Glück verfehlt die Bierflasche die beiden Ordner um drei Meter. Und wie reagieren die Ordner auf die geworfene Flasche?
Der eine bekommt vor Schreck beinahe eine Herzattacke. Der andere Ordner jedoch sagt: "Oh, das ist ja meine Biermarke!!"
Diese erfundene(?) Geschichte soll zeigen, dass die Menschen unterschiedlich sind und daher auch unterschiedlich mit gleichen Problemen fertig werden.
Deshalb bin ich in den letzten Jahren zu der Ansicht gekommen, dass es nicht so sehr darauf ankommt, WAS man im Leben durchmacht, sondern vielmehr, WIE(!) man dieses WAS durchmacht. Wenn mich ein Mitschüler geschlagen hat, habe ich selten zurückgeschlagen, sondern bekam schnell feuchte Augen. Was habe ich des wegen einen selbstbewussten, ebenfalls inzwischen verstorbenen Mitschüler beneidet, weil dieser sich nichts hat gefallen lassen, sondern sofort zurückschlug.
Wörter wie Despressionen, Psychotherapie, stationäre Behandlung etc. pp. sind heute in aller Munde und fast täglich in der Presse ein Thema. Ich möchte zwar nicht soweit gehen wie die Mutter meiner Frau, die oft zu sagen pflegte: "Wir hatten keine Zeit für Depressionen!" Allerdings vermute ich, dass viele in der Hoffnung in solch eine Therapie gehen, dass danach ein anderer Mensch aus ihnen geworden sei. Da habe ich allerdings meine Zweifel.
Etwas anderes mag das bei Menschen sein, die aufgrund eines schlimmen Erlebnisses in ein sog. posttraumatisches Belastungssyndrom verfallen sind. Bei denen mag sicherlich erfolgreich eine Linderung herbeigeführt werden.
Die Frau eines Arbeitskollegen leidet seit Jahren an sog. Depressionen. Zuletzt ist sie drei Monate in einer Klinik gewesen. Der Aufenthalt dort soll aber kaum etwas bewirkt haben. Schließlich ist die Staumauer ihrer Ehe eingebrochen, denn seit einigen Monaten leben sie getrennt.
Genau derselbe Kollege hatte in jungen Jahren ebenfalls Probleme an seinem Arbeitsplatz. Deshalb wollte er gerne ins Allgäu gezogen sein, weil er dort oft seinen Urlaub verbracht hatte. Damals habe ich ihm erfolgreich davon abgeraten, indem ich ihm erklärt habe, dass es etwas ganz anderes sei, wenn der Urlaubsort plötzlich zum Arbeitsort würde. Dann hätte er nämlich mit Sicherheit auch dort dieselben Probleme wie hier, von denen er lediglich versuchen würde, wegzulaufen.
Doch wie dem auch sei, ich habe mir in meinem Leben typbedingt zu viel gefallen lassen, was mich noch heute manchmal unausgeglichen werden lässt.