seit 8 Wochen und zwei Tagen nicht mehr da

  • Hallo an Alle,
    tja heute ist wieder so ein elender Tag der nicht vergehen will. Meine geliebte Mama ist nun seit 8 Wochen und zwei Tagen nicht mehr da ( was passiert ist könnt Ihr im Gastbereich lesen ).Täglich vermisse ich Ihre Stimme und Ihre liebevolle Zuwendung mehr. Ich war heute auf dem Friedhof und habe Ihr Ihre Lieblingsrosen gebracht. Es zerreist mir das Herz. Nun sitze ich hier vor dem PC und hätte doch noch so viel zu tun, da ich ja die Wohnung auflösen muss. Habe tagtäglich bei Allem was ich tue ein schlechtes Gewissen. Gehe ich in die Wohnung komme ich mir vor wie ein Dieb, gehe ich nicht in die Wohnung denke ich immer man du musst doch die Wohnung leer machen. Ich kann nicht schlafen, trinken und essen. Habe schon 12 Kilo abgenommen.


    Und mein Bekanntenkreis nervt auch. Fast alle sind der Meinung das ich mir hier mit Mamas Sachen ein Museeum bauen würde. Das macht mich wütend. Ich hänge an den Sachen und bringe es nunmal nicht fertig Ihre Sachen einfach so zu "entsorgen". Im Übrigen fühle ich mich dabei wohl soweit man von wohlfühlen sprechen kann.Viele meinen ich solle nun mal wieder zu mir kommen. Aber wie ? Mama und ich haben nach dem Tod von meinem Papa 1997 alles gemeinsam gemacht. Wir waren zusammen Einkaufen, haben Konzerte, Straßenfeste, Zoobesuche und alles Andere gemeinsam gemacht. Wir waren in China, Bulgarien, Türkei,London Budapest etc. Wir haben zusammen gelacht und geweint und darauf bin ich stolz. Sie war Mama, beste Freundin, Spaßvogel und auch manchmal Spaßbremse ( lächel ).Und nun ? Ich bin die letzte unserer kleinen Familie. Die letzten 8 Wochen waren die Hölle. Die Tage ohne Sie vergehen einfach nicht. Die Wochenden kommen mir vor wie ganze Wochen. Ihre Telefonate fehlen mir so. Jetzt erst kann ich in aller Konsequenz nachfühlen wie es Mama ging als Papa nach 35 jähriger Ehe 1997 verstorben ist. Ich glaube ich fühle nun den gleichen Schmerz.Sie hat den Tod von Papa nie überwunden. Sie hat die letzten 16 Jahre nur für mich und mit mir gelebt. Aber wofür bin ich jetzt noch hier? Ich hoffe Sie hält Ihr Verspechen und holt mich schnell nach. Wie ist mir egal!


    Meine beste Freundin bringt mich jetzt auch noch in eine Zwickmühle. Sie wohnt 500 km entfernt und hat am 24.08. Geburtstag. Sie hat hinter meinem Rücken organisiert, dass ich Sie zu Ihrem Geburtstag besuchen soll. Ihre Mutter würde mich mit dem Auto mitnehmen. Sie meinte ich bräuchte mal eine Ausszeit. Aber mir ist nicht nach feiern. Sicher ich würde Sie gerne sehen und von Ihr in den Arm genommen werden aber Geburtstag feiern neee. Ich finde das gehört sich auch nicht nach 8 Wochen auf einen Geburtstag zu gehen.


    So das musste ich mir jetzt mal von der Seele schreiben


    Gruß Mäusi

  • Liebe "Mäusi",


    erstmal mein herzliches Beileid zu deinem Verlust!


    Ich weiß genau, wie du dich fühlst, denn ich habe auch erst vor relativ kurzer Zeit meinen Freund verloren. Okay, einen Freund zu verlieren ist vielleicht nicht dasselbe wie die Mutter zu verlieren. Aber, nun ja, ich trauere ihm immer noch hinterher, auch wenn es bei uns schon fast 3 Monate sind.


    Ich habe auch all seine Sachen, die ich aus der Wohnung retten konnte, jetzt bei mir. Ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlst mit den Erinnerungsstücken! Und ich habe auch öfter mal einfach am Laptop gesessen, weil ich einfach nicht weiter wusste. Ich sehe zwar, dass noch viel zu tun ist, aber an manchen Tagen fühle ich mich nicht in der Lage, etwas zu tun!


    Sicher, dir ist momentan nicht nach Feiern zumute. Aber du solltest zu der Feier gehen. Wenn du merkst, es geht nicht mehr, dann gehst du einfach wieder. Aber du solltest dich nicht "verkriechen".


    So, ich hör jetzt besser auf, bevor ich noch etwas Falsches schreibe!


    Liebe Grüße sendet dir
    Tanja

    Tot sind nur die, die wir vergessen!


    (Ich werde dich, mein Schatz Raimund, und unsere Freundin Mona nie vergessen!)

  • Hallo Mäusi,


    was heisst denn, es gehört sich nicht. Ich denke, was sich gehört, bzw. was sich für Dich richtig anfühlt, das entscheidest ganz alleine Du. Was "man" tut, das wird einem als Kind eingetrichtert. Niemand steckt in Deiner Haut und niemand hat das Recht, das was Du tust oder lässt zu beurteilen. Klar, wenn die Mutter stirbt, dann fühlt man sich verwaist, ganz egal wie alt man selbst ist. Das ist schon schwer genug, also belaste Dich nicht auch noch mit den Überlegungen, was sich gehört und was nicht.


    Du fragst Dich, wofür Du nun leben sollst? Ich denke, wenn Du Deine Mutter fragen würdest, so würde sie Dir antworten: Für Dich natürlich. Dafür hat sie Dir das Leben geschenkt. Dafür hat sie Dich erzogen, damit Du einmal ohne sie zurecht kommst. All die schönen Erinnerungen, die sind ein kostbarer Schatz und die kann Dir niemand mehr wegnehmen. Sei dankbar dafür, viele haben das nicht, weil sie nicht in der Nähe ihrer Eltern leben konnten. Vielleicht kannst Du es so sehen, dass Euch das Schicksal nach dem Tod des Vaters noch 16 schöne gemeinsame Jahre geschenkt hat.


    Ich bin auch ganz sicher, es würde ihr nicht gefallen, dass Du nun nicht auf Deine Gesundheit achtest. Ich weiss es aus eigener Erfahrung, dass der Appetit erst mal weg ist. Aber genug trinken und immer mal eine Banane oder ein Fruchtquark, das rutscht auch ohne Appetit. Dazu gehört zwar etwas Disziplin, aber die ist manchmal gar nicht schlecht, um sich daran wieder ins Leben zu hangeln. Denk nicht so viel darüber nach, was später sein wird. Versuche jeden Tag zu meistern und was morgen ist, das zeigt sich dann. Gehe kleine Schritte und hab auch Geduld mit Deinen Freunden, auch wenn Dir ihre Ratschläge auf die Nerven gehen. Sie sorgen sich um Dich und das ist ja auch verständlich.


    Dass Dich Deine Freundin einlädt, finde ich sehr lieb. Ich kann aber auch verstehen, dass Dir dazu nicht der Sinn steht. Falls Du wirklich nicht zu dieser Feier fahren möchtest, könntest Du ihr ja sagen, dass Du sie nach dem Geburtstag besuchen kommst. Das würde Dir sicher gut tun, und dann hätte sie auch den Kopf frei, um für Dich da zu sein. Lass die Verbindung nicht abreissen, Freunde sind so wichtig, gerade, wenn man keine große Familie mehr hat. Ich musste das nach dem Tod meines Mannes auch hautnah spüren. Sicher hat sie Verständnis, wenn Du ihr sagst, dass Dir nicht zum Feiern zumute ist und Du den anderen Gästen die frohe Stimmung nicht verderben möchtest. Aber besuche sie so bald als möglich.


    Dass Du die Sachen Deiner Mama 8 Wochen nach ihrem Tod nicht einfach entsorgen kannst, das verstehe ich. Stell ruhig ein paar Erinnerungsstücke in Deiner Wohnung auf. Den Rest würde ich in Koffer oder schöne Truhen verpacken und erst mal aufheben. Das läuft Dir nicht davon. Ich habe meinem Sohn gesagt, er soll mal nach meinem Tod sein Herz nicht an Gegenstände hängen, nur weil sie für mich mal wichtig waren. Er soll mich im Herzen behalten, nicht in Dingen, die er nur abstauben muss. Klingt jetzt ein bisschen flapsig, aber ich denke, Du verstehst, was ich meine. Aber das musst Du nicht über den Zaun brechen. Nun versuche erst mal, wieder ein paar kg zu zunehmen, denn kraftlos bekommt man erst recht nichts auf die Reihe. Stell Dir eine Kanne mit einem Getränk bereit, und wie gesagt - mir haben Bananen und Quark über die schlimmste Zeit hinweg geholfen.


    Vielleicht hast Du ja auch einen verständnisvollen Hausarzt, der Dir mit milden evt. pflanzlichen Mitteln bei Deinen Schlafproblemen helfen kann. Oft sind ja wirkliche Schlaftabletten gar nicht nötig. Nur das Gedankenkarussell etwas zur Ruhe kommen zu lassen, das hilft oft schon.


    Hab Geduld mit Dir!


    herzliche Grüße
    Beauty

  • Hallo Beauty,


    erst einmal vielen Dank für Deine Antwort.


    Du schreibst ich solle nicht so viel darüber nachdenken was später sein wird. Aber das ist nach der unendlichen Trauer mein zweites Problem.
    Ich war und bin eine gestandene Frau, habe einen tollen Beruf und habe immer für mich alleine gesorgt. Mein Leben war immer prima und mir ist bewußt das es ein privilegiertes Leben war. So etwas wie Angst kannte ich nicht.


    Zwei Tage nach Mamas Tod hat mich dieses Angstgefühl jedoch angesprungen einfach so. Sicherlich hängt das auch damit zusammen weil ich gesehen habe wie man mit Menschen im Krankenhaus umgeht. Unmenschlich.Ich als Tochter musste der Schwester sagen sie solle bitte für eine Spezialmatratze gegen das Wundliegen sorgen usw. Wer tut in meinem Fall jetzt so etwas für mich ? Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht was passiert wenn ich meinen Schlüssel in der Wohnung vergesse. Der zweite lag ja bei Mama. Heute ertappe ich mich dabei das ich im Flur stehe und laut zu mir sage Mäusi denk an deinen Schlüssel ( das kam einfach so ohne das ich an etwas gedacht habe)


    Ich habe in der Zwischenzeit eine Patientenverfügung erstellt, nur damit ich sicher bin, das wenigstens in kleinem Rahmen meine Wünsche befolgt werden. Ich war beim Notar und habe mein Testament gemacht für den Fall das mir unvorhergesehen etwas passiert. Ich habe zusammen mit Mamas Beerdigung gleich meine eigene organisiert und bezahlt, weil ich unbedingt ins Familiengrab will falls mir was passiert.


    Ich hatte mein Leben lang Katzen. Die Psychiaterin meinte ich solle mir wieder ein anschaffen das täte mir gut ABER was wenn mir was passiert? Wenn ich wochenlang nicht ansprechbar im Krankenhaus liege ? Niemand weiß dann das eine Katze in meiner Wohnung ist. Das arme Tier würde verhungern und verdursten.( Zitat der Psychiaterin : na Sie sind aber ein sehr verantwortungsvoller Mensch ).Ja Hallo das ist doch normal, das man erst nachdenkt und sich dann ein Tier anschafft.


    Mein Auto steht seit 10 Wochen in der Garage. Ich traue mich nicht mehr zu fahren. Mir zittern die Kniee so sehr, das ich die Kupplung gar nicht mehr treten kann.


    Auch die Sache mit dem Essen kann ich nicht so recht erklären. Ich habe immer gerne ( und Viel ) gegessen. Aber es schnürt mir die Kehle zu wenn ich daran nur denke. Ich kann ja all die schönen Sachen mit niemandem mehr teilen.


    Was passiert wenn ich einen Herzinfarkt bekomme und liege hilflos in der Wohnung ? Ich könnte diese Liste jetzt endlos fortführen.


    Ich hoffe Du verstehst was ich meine. Ich kann es nicht anders beschreiben. Diese Ängste machen mir auch wieder Angst, weil ich so etwas nicht kannte. Ich komme mit mir selber nicht mehr klar. Ich erkenne mich nicht mehr.


    Selbst Freunde und nicht zuletzt mein Hausarzt verstehen nicht was in mir vorgeht. Sie alle kennen mich nur als selbstbewußte Frau die Ihren Mann steht. Zitat meines Hausaztes: ob wir Sie jemals wieder so hinkriegen wie Sie waren ist fraglich.Er kannte das innige Verhältnis von Mama und mir ( auch das zu meinem Papa bis 1997 ). Ich laufe einfach nur noch wie ferngesteuert durch die Gegend und hoffe das nichts passiert.


    Ich glaube mir fehlt die Sicherheit die nur eine Familie bieten kann ( die ich nicht mehr habe ).


    herzliche Grüße


    Mäusi

  • Hallo Mäusi,
    ja, die Angst was aus mir einmal wird, die kenne ich auch zur Genüge. Ich lebe alleine, mein Sohn hat einen Beruf, der ihn auch mal ans andere Ende der Welt schickt und ich kann ihn ja auch schlecht bitten, mich jeden Tag anzurufen, und zu fragen: Mutti lebst Du noch? Auch ich überlege, wer es wann merkt, wenn mir etwas passieren sollte und vor allem möchte ich meinem Sohn nicht zumuten, was dann noch zu finden ist.... Ich will da gar nicht ins Detail gehen. So wie Du Dein Leben mit Deinen Eltern bzw. mit Deiner Mutter geteilt hast, so habe ich eine lange Ehe mit meinem Mann verbracht. Dann ist er ganz plötzlich gestorben und ich wusste nicht einmal, wie man ein Auto auftankt. Auch ich war kein hilfloses Frauchen, aber bei uns gab es eine Rollenverteilung, die sich einfach aus den Talenten ergeben hat. Ich war das Büro und mein Mann die Werkstatt. Umgekehrt hätte er sich wohl erst mal schlau machen müssen, wie hoch unsere Hausratsversicherung ist. Nun musste ich alles handwerkliche selbst auf die Reihe bekommen, hatte niemanden mehr, mit dem man Entscheidungen besprechen kann, konnte keine zweite Meinung mehr einholen usw. usw. Klar hat mir mein Sohn geholfen, wo er konnte. Aber wie gesagt, er war eben nicht immer da. Und ausserdem habe ich immer darauf geachtet, ihn sein eigenes Leben leben zu lassen. Ich habe ihn gehen lassen, damit er gerne wieder kommen kann. Ich war also auf mich gestellt und mir wurde auch plötzlich klar, dass mich niemand mehr wirklich braucht. Das war die Zeit, in der ich morgens auf der Bettkante saß und nicht wusste, wozu ich eigentlich aufstehen sollte. Das war die Zeit, als ich mich einfach aus Vernunftsgründen zum Essen gezwungen habe und ehrlich gesagt, für mich alleine zu kochen, das macht mir auch heute noch keinen Spaß.


    Ich war also nach dem Tod meines Mannes in einer ganz ähnlichen Situation wie Du. Und wenn Dein Hausarzt überlegt, ob man Dich wieder so hinkriegt, wie Du warst, dann unterliegt er nach meiner Lebenserfahrung einem Denkfehler. Du wirst nie wieder so sein, wie Du warst, denn Dein Leben hat sich völlig verändert. Aaaaber, das muss nicht zwangsweise weniger lebenswert sein wie vorher. Mein Schlüssel liegt nun eben bei einer vertrauensvollen Nachbarin, die auch meine Blumen versorgt und den Briefkasten leert und sie würde mit Sicherheit auch einer Katze ihr Näpfchen füllen, wenn ich denn eine hätte. Das ist nur ein ganz banales Beispiel, aber es leben Millionen Singles in unserem Land, die keine nahen Angehörigen zu haben und die verschwenden keinen Gedanken daran. Und das kann man lernen. Ich weiss es, denn ich habe es erlebt. Eine sehr weise Frau hat mir als jungem Mädchen mal gesagt: Nichts ist so schlimm, wie die Angst, die man davor hat. Und das stimmt wirklich. Angst lähmt, Angst macht klein und Angst ist sinnlos, denn sie zeigt uns nur in den seltensten Fällen den Weg, wie es weiter gehen kann. Und Angst vor der Angst ist wohl das Sinnloseste, das es gibt. Angst soll uns normalerweise vor Gefahren schützen. Ich versuche heute, aufkommende Ängste zur Kenntnis zu nehmen und wie einen ungebetenen Gast wieder zur Tür hinauszukomplimentieren. Es gelingt mir nicht immer, aber immer öfter. Ich denke, das, wovor wie Angst haben, geschieht in den seltensten Fällen. Unsere Phantasie ist da kein guter Ratgeber. Nicht umsonst heisst es so schön flapsig: Erstens kommt es anders zweitens als man denkt. Und auch hier habe ich schon manchmal geschrieben, was mein Mann in solchen Situationen auf gut schwäbisch zu sagen pflegte: Mädle schrei doch net scho wieder vor die Schläg. Ein Sprichwort sagt es vornehmer: Über die Brücke gehen wir, wenn wir sie erreicht haben. Du sagst, Du bist eine gestandene Frau, hast einen tollen Beruf. Vielleicht hilft es Dir, nun erst mal Dein Leben sozusagen als Projekt wieder in den Griff zu bekommen. Ich weiss es nicht. Sowas muss jeder für sich herausfinden.


    Was uns beim Tod eines lieben Angehörigen auch verloren geht ist ausser dem Menschen, den man unendlich vermisst eben das Urvertrauen ins Leben. Das kommt wieder, aber das braucht Zeit. Es ist in Ordnung, wenn Du Deine Angelegenheiten für die Zukunft jetzt mal so festgelegt hast. Aber nun lass die Zukunft mal Zukunft sein und mach es so, wie wir "alten Hasen" das so gut wie jedem Neuling hier sagen. Hab keine Angst vor der Zukunft und klammere Dich nicht an die Vergangenheit. Geh in kleinen Schritten voran. Tag für Tag. Oft wird einem Kraft gewünscht. Ich finde es ist viel wichter, Geduld gewünscht zu bekommen. Die Kraft, die bringt jeder Morgen mit und die reicht gerade für diesen einen Tag. Mehr ist auch erst mal nicht nötig. Wieder einen Tag zu überstehen. Der morgige Tag bringt seine Kraft wieder mit. So geht es langsam vorwärts, auch wenn Du Dir das jetzt noch nicht vorstellen kannst. Irgendwann - und wann ist nicht wichtig - wirst Du erstaunt feststellen, dass Du den Blick wieder über den Tellerrand der Trauer heben kannst und Licht am Horizont siehst.


    Du schreibst, dass Du mit den Gefühlen, die Dich jetzt übermannen nicht klarkommst, dass Du Dich so nicht kennst. Warum wunderst Du Dich darüber? Du warst bisher noch nie in einer vergleichbaren Situation. Ich habe gestaunt, was in mir alles für Gefühle hochgekommen sind damals. Angst, Wut, Einsamkeit, Neid, Befreiung, Hofffnung, Verzweiflung, Zuversicht und manchmal alles auf einmal oder völlig durcheinander. Ich weiss nicht, wie es Dir gehen wird, ich kann nur von mir erzählen, aber ich bin am besten damit klar gekommen, wenn ich nicht dagegen angekämpft habe. Ich bin der Meinung, die Emotionen, die in uns liegen, die hat die Natur auch nicht umsonst entstehen lassen. Wenn ich meine Stimmungen angenommen und sozusagen beobachtet habe, dann haben sie viel von ihrem Schrecken verloren. So nach dem Motto: So fühlt sich also Einsamkeit an. Das klingt ziemlich sachlich, aber mir hat es geholfen, sozusagen von oben auf die Sitution zu sehen und mich nicht noch hineinzusteigern.


    Auch wenn Du Dich nun kaum wiedererkennst. Das Neue ist nur eine Seite Deiner Persönlichkeit, die bisher eben nicht in Erscheinung treten musste. Aber Du bist ja trotz allem noch der liebenswerte Mensch, der mit seiner Mutter all das Schöne geteilt hat, das die Welt zu bieten hat. Nun solltest Du Dich auch selbst lieb haben können, um all das für Dich selbst genießen zu können. Ich kann mich heute über all das freuen, was ich eben nun alleine erlebe. Mein Leben ist völlig anders als früher, aber deshalb nicht weniger wertvoll.


    Dein letzter Satz hat mich sehr nachdenklich gemacht. Sicherheit kann nicht nur eine Familie bieten. Ich kenne genügend Fälle, in denen gerade die Familie am meisten Belastendes in ein Leben gebracht hat. Sich mit lieben Menschen zu umgeben, das ist wichtig, ja. Aber das können auch Freunde sein. Und das muss auch nicht ein großer Freundeskreis sein. Ich stand nach dem Tod meines Mannes sehr schnell ohne Freunde da, denn ich musste feststellen, dass das seine Freunde waren. Mein Mann war Segler und natürlich bin ich auch nach seinem Tod noch eingeladen worden. Aber ich musste feststellen, dass wir nichts mehr gemein hatten. Es gab die üblichen Themen über den nächsten Turn oder die nächste Regatta und ich saß da wie Pik sieben. Sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen ist nicht leicht. Ich war anspruchsvoller als früher, wollte keine Kompromisse mehr eingehen und natürlich hat niemand an meiner Tür geklingelt. Ich musste schon selbst rausgehen, auf Menschen zugehen und auch mal über meinen Schatten springen und das ein oder andere Risiko eingehen. Heute habe ich ein Häuflein sehr guter Bekannter. Sie Freunde zu nennen, das scheue ich mich noch. Ich habe auch ganz liebe Nachbarn, auf die ich mich verlassen kann. Aber ich habe gelernt, dass man über seine Sorgen reden muss. Woher sollen die wissen, wie es in mir aussieht. Ich musste lernen, um Hilfe zu bitten. Und ich habe erstaunt die Erfahrung gemacht, dass sie gerade von Seiten, von denen ich es mir nicht hatte vorstellen können, gekommen ist.


    Für Dich ist all das neu, bricht über Dir zusammen und Du findest Dich erst mal nicht mehr zurecht. Ich sage Dir, die meisten User werden beim Lesen Deiner Beiträge innerlich mit dem Kopf nicken und denken: Ja, so fühlt sich Trauer an. Solange man in der ersten zerfetzenden Phase steckt hat man ja das Gefühl, es ginge einem ganz alleine so furchtbar. Aber ein ganz großer Vorteil dieses Forums waren für mich nicht die Ratschläge, die ich bekommen habe. Die zu akzeptieren ist eine Sache, sie umzusetzen noch eine ganz andere und manche haben auch einfach nicht gepasst. Aber zu sehen, dass ich mit meinem Kummer nicht alleine bin, ja dass dieser Kummer im Grunde gar nichts Besonderes ist, sondern dass es allen so geht, die einen geliebten Menschen haben gehen lassen müssen. Das ist der Grund, warum ich heute nach über 5 Jahren immer noch hier bin und versuche, dem ein oder anderen ein Stück weiter zu helfen. Das Bewusstsein, mit dem Schmerz nicht alleine zu sein, das hat mir mehr geholfen als alle guten Ratschläge.


    Liebe Grüße
    Beauty

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!