Es fragt mich niemand mehr, wie es mir geht

  • Ich möchte heute mal meinen Frust darüber loswerden, dass mich (fast) niemand mehr fragt, wie es mir geht.


    Meine Gedanken kreisen nach wie vor täglich um meine Mutter, um ihr Sterben, um meinen Verlust, darum, wie ungerecht ich das Leben und die Welt finde etc. Es fließen auch noch immer viele Tränen. Dazu kommt, dass ich inzwischen vor Mitleid mit meinem Vater zerfließe, dem es eher schlechter als besser geht. Ich glaube, dass er erst jetzt so langsam realisiert, dass sie nie wiederkommen wird.


    Ich würde gerne nach wie vor mit mehreren Menschen über all das reden, doch für sie hat sich die Welt (natürlich) ein halbes Jahr weitergedreht. Das verstehe ich ja. Aber ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen? Keine Gespräche über Patientenverfügungen und Intensivstationen, wenn ich am Tisch sitze? Ein Klaps auf die Schulter mit ein paar warmen Worten, dass man immer noch mitfühlt? Ist das zu viel verlangt?


    Ganz schräg wird es, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, und ich antworte in Bezug auf meine Trauer. Dann ist der Fragende mitunter ganz erstaunt (und auch peinlich berührt...), hat er doch das ganz "normale" "Wie geht es dir?" gemeint.


    Ich habe nach wie vor den Eindruck, maximal ein paar Meter auf einem offensichtlich sehr langen Weg gegangen zu sein. Die rege Anteilnahme am Anfang hat mir durchaus gut getan.


    Macht ihr ähnliche Erfahrungen?

  • Grüß Dich Rosentochter,


    die Erfahrungen, die Dir jetzt so weh tun, die haben viele von uns gemacht - auch ich. Mein ganzes Denken war von den Ereignissen erfüllt und meine Umgebung ist längst zur Tagesordnung übergegangen. Mein Mann wurde gar nicht mehr erwähnt, es schien als habe es ihn nie gegeben. Wahrscheinlich hat man einfach versucht, das Thema ja nicht anzutasten. Und irgendwann hat man auch nicht mehr daran gedacht. Aber sie spüren ja auch den Schmerz nicht. Sie vermissen den Menschen nicht so wie Du. Sie haben sich am Anfang um Dich Sorgen gemacht, Du versuchst, wieder zu funktionieren und im Alltag bleibt einem ja oft gar nichts anderes übrig und so wirkst Du wohl auch wieder "normal". Bitte verzeih mir diesen blöden Ausdruck, denn schließlich bist Du nicht unnormal. Aber ich glaube, Du verstehst schon, was ich meine.


    Für Dich ist nichts normal und die Sorge um Deinen Vater kommt noch dazu. Ich kann Dir aus meiner Erfahrung nur den Rat geben: Rede darüber wie es Dir geht. Sollen sie doch peinlich berührt sein. Nur wenn Deine Freunde wissen, wie es Dir geht, können sie sich so verhalten, dass es Dir gut tut. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass Du darüber reden möchtest. Ich hatte durchaus Phasen, wo ich niemanden in mich hineinsehen lassen wollte. Wo ich auch froh war, wenn es Situationen gab, in denen sich nicht alles um den Todesfall gedreht hat. Aber woher sollen die Menschen um mich herum wissen, was ich brauche, wenn ich nicht darüber rede und erwarte, dass sie das spüren. Ich glaube, wenn wir so viel Einfühlungsvermögen erwarten, dann überfordern wir sie. Ich habe damals oft überlegt, wie ich früher mit Trauernden umgegangen bin und bin mir nicht sicher, ob ich immer richtig reagiert habe.


    Ja, es liegt noch ein langer Weg vor Dir. Aber jeder Weg besteht aus Schritten. Hab Geduld, mit Dir und mit den Menschen, die um Dich herum sind. Versuche Dich zu öffnen und auch mal um Hilfe zu bitten. Und wenn es nur die Bitte um ein Gespräch ist, eine gemeinsame Tasse Kaffee, ein Spaziergang im Park, bei dem Du mal reden kannst. Ich habe mich damals gewundert, wer plötzlich für mich da war, wer einfach menschlich reagiert hat. Aber wie gesagt, der Anstoß muss von uns kommen. Und umgekehrt sag auch ruhig, wenn Dir ein Gespräch weh tut. Auch das ist sicher nicht böse gemeint, sondern einfach gedankenlos. Und gedankenlos sind wir doch alle irgendwann selbst mal. Ich glaube, davon kann sich keiner freisprechen.


    Liebe Grüße
    Beauty

  • Liebe Rosentochter,


    wie fühlst Du Dich ? Ich frage gar nicht wie es Dir geht, denn nur allzu gut weiß ich, wie man nach so kurzer Zeit empfindet, den Verlust nicht verkraftet, versuchst Du Deinem Vater zu helfen, und kannst zu Recht nicht verstehen, dass die Welt sich weiterdreht. Am liebsten würdest Du rufen: haltet die Welt an, es fehlt eine..... und Dein Umfeld kann nicht verstehen, warum es Dir nicht gut geht..... ja, diese Dinge haben wir bestimmt hier alle erlebt. auch heute, nach über einem Jahr, werde ich gefragt: wie geht es Dir und wenn ich antworte: Naja, nicht so gut, kommt die Frage, wieso denn? es ist doch schon solange her.
    Versuche alles in Deinem Tempo zu machen. Deine Trauer, Deine Tränen, ja alles was mit dem Tod Deiner Mutter zu tun hat, mach einfach nur das, was Dir guttut, Du mußt nichts tun, was Du nicht möchtest und das sage auch, wenn einer das nicht versteht, mach Dir keinen Kopf. Ich glaube auch, dass "sie" es nicht " böse" meinen, viele Menschen können einfach mit so einer Situation nicht umgehen und wissen nicht, was sie sagen sollen,manchmal auch einfach mal gar nichts....und eben in den Arm nehmen.
    Sprich mit Deiner Mutter, auch wenn es Dir jetzt komisch vorkommt, aber es kann Dir vielleicht helfen, besser damit umzugehen. Ich rede immer noch jeden Abend mit meinem Mann, ganz bewußt, erzähle ihm alles was passiert ist und es hilft mir.
    Und vor allem, nimm den Verlust an, versuche nicht zu fragen, warum, es ändert nichts, Deine Mutter hat ihre Aufgabe hier auf Erden erfüllt, aber sie wird Euch immer beschützen und bei Euch sein.


    Ich wünsche Dir und Deinem Vater viel Kraft


    sei herzlichst umarmt
    Whitey

  • Hallo Rosentochter,
    ja, ich kann auch ein Lied davon singen wie man mit Trauernden umgeht. Ich wurde heute gefragt wann ich den endlich das Schwarz ablege und wann ich denn gedenke wieder ins Leben zurückzukehren. Und das heute nach erst 9 Wochen. Diese Frage scheint Freunde und Bekannte mehr zu bewegen als mein Befinden. Man hat versucht mir zu erklären, das man nicht unbedingt schwarz tragen muss um zu trauern. Ach was ! Mir ist es jedoch ein Bedürfniss. Ich diskutiere da nicht mehr. Eine einfache Umarmung oder ein" möchtest Du reden "kommt sehr selten. Und wenn dann von Nachbarn oder Menschen mit denen man nur wenig oder selten Kontakt hat.


    Auch ich habe die Erfahrung gemacht das bestimmte Themen in meinem Beisein ( Patientenverfügung etc. ) gemieden werden.


    Meine Konsequenz daraus : ich habe 4 Leute mit denen ich über meine Mama reden kann und will. Bei dem Rest vermeide ich das Thema.


    Die meisten Menschen meiden das Thema. Dann sollen Sie doch. Ob " nicht böse " gemeint oder nicht !


    Niemand kann unseren Schmerz und unsere Trauer verstehen oder nachfühlen. Zugegeben das ist auch schwer. Jeder Mensch und jede Beziehung zu einem Menschen ist anders. Ich glaube aber auch das sich diese Menschen zum Teil überschätzen. Sie haben das noch nicht mitgemacht und glauben, wenn es Ihnen so geht, gehen sie anders mit der Trauer um und machen das mit sich selbst aus. . Na dann schauen wir mal. Wir wissen es dann besser ! Wir können es dann besser machen schon aus unserer Erfahrung heraus.



    Ich kann nur allzugut nachvollziehen wie Du dich fühlst. Lass Dich nicht beirren. Kümmere Dich um Deinen Papa und lass vorerst den Rest der Welt denn Rest der Welt sein. Freunde die es wirklich interessiert werden fragen.


    Ich schließe mich whitey an: rede mit Deiner Mama. Erzähl Ihr all Dein Leid und Deine Sorgen. Ich rede denn ganzen Tag mit meiner Mama und es tut mir gut.


    Ich wünsche Dir viel Kraft auf Deinem weiteren Weg


    sei herzlichst gegrüßt
    Mäusi

  • Hallo ihr Lieben!


    Ja gerade bei den unerwarteten Menschen, habe ich oft liebe Anteilnahme gefunden. Die entfernte Bekannte, die schon einmal so etwas erlebt hatte und auf der Uniwiese gar nicht wieder aufhörte zu fragen - oh wie gut tat es mir in dem Moment noch mal alles erzählen zu dürfen!
    Ich habe die Menschen ein bischen "ausprobiert". Wer kann gut trösten, wenn ich weine? Wer kommt mit meinen Themen klar? Ich habe bei vielen Menschen "angetestet" und bin super gut damti gefahren, wie Beauty schreibt, den Menschen ein Stück weit zeigen, wie es mir geht.
    Und wenn sie überfordert sind - na, das bin ich ja auch.


    Wie Whitey schreibt - wir kennen diese Momente hier wohl alle, wo die Welt sich doch dreht, und unsere ist aber stehen geblieben. Wie können die sich mit all dem belanglosen Zeug befassen? Es fühlt sich komisch an.
    Ich habe nicht aufgehört auf die Menschen zuzugehen, zu erklären, zu erzählen. WEr nicht zuhört, wird vorerst aussortiert. Aber wer nur Gedankenlos ist, der kriegt mal eine kleine Portion aufgetischt. Sicher, dann herrscht betretenes SChweigen. Dann mache ich mit dem nächsten Thema weiter. Aber ich wollte es ihnen nicht verheimlichen, denn so ist es nun mal.
    Zugegeben, mein Naturell macht es mir leichter, aber ich bin wie gesagt gut damit gefahren.


    Liebe Grüße
    Marie

  • Ich war betroffen, als ein Bekannter gestorben war. Aber ich habe Wochen gebraucht, um mit seiner Familie zu reden.


    Es ist wie ein Wechsel der Ebene. Man muss Gefühle zeigen und macht sich angreifbar. Es ist viel Scham dabei, glaube ich.


    Dann ist mir passiert, dass ich eine Freundin verloren habe. Ich war in meiner Selbsthilfegruppe und die Leute waren für meine Begriffe zu nüchtern und sachlich. Es öffnete auch niemand das herz.


    Dann verstand ich, dass ich nicht besser war. Aber Mitgefühl kann man lernen zu zeigen. Es ist bestimmt in vielen Menschen vorhanden. Aber sie haben es verlernt zu zeigen.

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