Ich weiss nichts mehr

  • Hallo,
    ich kann mich noch nicht ummelden, weil ich diesen Monat noch umziehe, wahrscheinlich...und noch nicht weiss, zu welchem Anbieter ich wechsle...
    Mein Mann ist am 22.7.2017 gestorben. Erst im April bekam er die Diagnose...Adenokarzinom der Gallengänge mit Beteiligung der Galle, Leber, Metas in Milz, Bauchfell, Lymphknoten, Niere...die Lunge hatte nichts, obwohl er Raucher war...Alles ging so schnell, hat uns Beide überrollt. Mein Mann war sehr am Verdrängen, sprach noch...wenn die Berufsunfähigkeitsrente kommt kaufen wir ein neues Boxspringbett...als sie kam lag er bereits im Krankenbett und hatte Pflegestufe 4...er dachte eine Chemo würde ihm noch Jahre bringen, obwohl der Arzt ihm gesagt hatte, unheilbar, Endstadium...und wann fangen wir mit der Chemo an? Auf mich prasselte eine negative Nachricht der Ärzte nach der Anderen ein und ich konnte nicht mit ihm darüber sprechen...weil es halt nicht der Krebs für ihn war, sondern die Unfähigkeit der Ärzte oder oder oder...also habe ich auch so getan, als sei das nur vorübergehend...sah zu wie er immer magerer wurde...Schatz du musst mehr essen...sein Magen war fast komplett zugewachsen, sie haben ihm als letzten Wunsch einen den Magenausgang verlegt, damit er wieder essen konnte...zuerst Schonkost, später sagten sie zu ihm, es ist egal...essen sie was sie wollen, entweder sie vertragen es oder sie kotzen es wieder aus...mein Mann liebte es zu essen, er liebte mein Essen...seit er tot ist koche ich nicht mehr, mag auch nichts mehr essen, denke bei jedem Bissen, Michael konnte nicht mehr essen, die letzten Wochen, eine Gabel Fisch, eine Gabel Kartoffel..."was hast du mir soviel auf den Teller gemacht?"...am Montag vor seinem Tod hat er aufgehört zu essen...ich bin fast durchgedreht..iss...iss...habe geheult, gebettelt, wurde zornig, laut...nein, ich mag nicht mehr...den Freitag davor hatte er zu mir gesagt..."hilf mir, ich will sterben"...er war immer in Bewegung, ein "Schaffer"...nun lag er da...immer auf dem Rücken...zur rechten Seite konnte er sich nicht drehen, dort hatte er einen Beutel, einen Zugang für die Gallenflüssigkeit...auf die linke Seite konnte er sich nicht drehen, weil dann diese Dreckskröte zu sehr drückte...als er tot war, legte ich mich in sein Krankenbett...fing an zu verstehen...als er lebte verstand ich es nicht...wir hatten doch noch uns, unsere Gespräche...obwohl er immer weniger sprach...aber wir hatten uns...
    Er wollte zuhause sterben. Die Ärzte sagten, dass ginge nicht...ich könnte das nicht allein...er starb zuhause, hier im Wohnzimmer...sein Krankenbett stand in der Mitte des großen Raumes, gleich neben dem Sofa...seit April schlief ich auf dem Sofa, er konnte zuvor schon nicht mehr im Bett schlafen, weil er fast schon im Sitzen schlief...er hatte Angst vor dem Sterben, was ich auch nicht verstehe... Angst vorm Sterben und gleichzeitig sagen....hilf mir zu sterben...ich hatte zu ihm gesagt, dass ich das nicht kann...ich kann nicht an ihm, nein...aber ich habe ihm versprochen, dass wenn seine Zeit kommt er leicht und ohne Schmerzen gehen wird...und er hat einfach aufgehört zu atmen, als die Schwester von der Caritas da war, ich hatte eine Hand auf seinem Zwerchfell liegen und eine unter seinem Rücken...wie so oft die letzten Wochen..."hilf mir atmen"...das half ihm immer, nur nicht an diesem Samstag...obwohl ich wußte er wird sterben, kam es plötzlich...es war als würde seine Seele losfliegen und es war als hätte sie mich ein Stück mitgenommen, ein Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit...bis über den Baum...und dann war ich hier, im Wohnzimmer, hielt seinen Körper und war allein...
    Zu Anfang dachte ich, er kommt wieder...Am Samstag wurde er im Friedwald begraben...er kommt nicht wieder, es macht mich wahnsinnig...ich weiß nun, er kommt nicht wieder...nie mehr...ich heule nur noch und ich mag nicht mehr, tu nichts mehr...
    Ich bin vor 14 Jahren zu ihm gezogen, wohnte 400 Kilometer entfernt...ich wäre für ihn überall hin, er war und ist meine Liebe, mein Leben...wie ich es mir zuvor nie vorstellen konnte, dass es so eine Liebe gibt...hatte ich auch schon zuvor eine Ehe, Kinder...er ist mein Lebensmensch...ich habe mich hier nie wohl gefühlt, die Mentalität ist ganz anders, die Landschaft ist schön...aber mit den Leuten tat ich mich schwer...ohne ihn ziehe ich hier weg...alles klar am 23.9. ist der Umzugstermin (zu meiner Mutter in eine Art WG)...ich schaffe es nicht zu packen...liege auf dem Sofa...seine Töchter stellen nun Pflichtteilsansprüche (zu denen er seit 2003 keinen Kontakt hatte, bis auf eine und die ist wohl die Schlimmste), war beim Anwalt und nun...ich kann nicht mehr...mein Sohn zieht gerade selbst um, hat wenig Zeit...ich kann es auch nicht erwarten...einhellige Meinung meiner Mutter, meines Sohnes...reiß dich zusammen...meine Mutter, du kannst aber nicht viel mitbringen, es ist zu wenig Platz...aber sie hebt allen möglichen alten Krempel auf...ich weiß nicht, ich kann nicht dahin, aber ich kann auch nicht hier bleiben...es tut so weh...unser Hund, sein Baby...nun ist sie herzkrank...wenn ich sie auch noch verliere...ich habe mich wohl zu wenig um sie gesorgt, in all der Sorge um ihn, es war auch so wenig Zeit, weil mein Mann körperlich nichts mehr konnte und ich saß immer nur bei ihm, in jeder Minute in der nichts wichtiges zu tun war...und nun in meinem Schmerz, unser armes Baby...ich weiß, er wäre jetzt sauer auf mich...tu endlich was, Schatz du schaffst das, Schatz ich liebe dich...ich enttäusche ihn, so wie ich hier sitze und tippe anstatt zu packen oder zu putzen oder mit Kira was zu machen... ich weiß es, aber ich kann nicht...wie soll ich ohne ihn leben, ohne ihn sein...ohne ihn entscheiden...nun ist alles organisiert und ich glaube ich kann nicht...er war meine Wurzel, ich habe keine Wurzel mehr, niemand der mich erdet
    Leah

  • Liebe Leah,


    mein allerherzlichstes Beileid !
    ganz ehrlich....ich stelle mir vor, was ich täte, wenn mir/uns sowas zustößt. Ich weiß es nicht, aber da der Verlust meines Stiefvaters mich schon wirklich umhaut, kann ich gar nicht denken, was sein wird, wenn mein Mann stirbt - nicht irgendwann aus Altersschwäche, sondern plötzlich oder wegen Krankheit. Nicht vorzustellen, was Du gerade durchmachst. Es tut mir schon beim Lesen wahnsinnig leid. Ich kann Dir nur mein Mitgefühl aussprechen und ich wünsche Dir, dass Du trotz allem die nächsten Wochen wohlbehalten überstehst und Deinen Lebensmut nicht verlierst.
    Das Leben kann so schrecklich sein ! Pass auf Dich auf ....und alles Gute für Dich und Euren Hund !
    fühl Dich gedrückt
    allerliebste Grüsse, Britta

  • liebe leah,


    ich lese deine zeilen muß unweigerlich weinen.... wie mich doch vieles deiner zeilen an meine zeit von damals erinnert. gerade deine worte: iss, du mußt essen... genau das war meine schwachstelle.... auch ich wurde zornig und hatte mich zu worten hinreißen lassen, die mein man gleich kommentierte: hoffentlich werden dir die worte nicht mal leid tun....... und wie sie mir leid tun... wenn ich es doch nie gesagt hätte....


    ich finde es richtig, dass du die verbliebene zeit ausschließlich deinem mann gewidmet hast.
    auch dass du jetzt zu nichts in der Lage bist, ist völlig normal. dränge dich nicht...


    du hast das wichtigste ( das wirst du dir jetzt noch nicht vorstellen können) vollbracht... deinen lieben mann in der allerschlimmsten stunde beizustehen.


    ich wünsche dir so viel kraft für die bevorstehende zeit...


    lg heike

    Rainer meine Liebe, mein Leben...
    immer, wenn wir von dir erzählen, fallen Sonnenstrahlen in unsere Seelen. Unsere Herzen halten dich umfangen, so, als wärst du nie gegangen...
    ich wünsche Dir Frieden, ohne Kampf , ohne Schmerz, unendlich geborgen für immer. Sei dort, wo Du bist, verbunden mit mir. Sei wachsam und sei da in dem Moment, wenn zu meiner Zeit, das Band unserer Liebe mich hinführt zu Dir.

  • Ach liebe Leah, es tut mir so leid, mein aufrichtiges Mitgefühl. Das Schlimmste dabei ist, dass man da ganz alleine durch muss, auch wenn Familie da ist, oder liebe Freunde und Bekannte, die sich kümmern und einem den Schmerz am liebsten abnehmen würden. Es geht nicht. Auch Entscheidungen kann uns niemand abnehmen und das ist so schwer, Entscheidungen zu treffen die man gar nicht treffen möchte. Ich kann dir nur ganz viel Kraft wünschen auf dem schweren Weg der vor dir liegt. Lieben Gruß, Beate

  • Hallo,


    ich danke euch für eure lieben Worte, für die Kraft die ihr mir schicken wollt.


    Es tut mir leid, ich kann mich gerade nur sporadisch melden, stecke nun wirklich mitten im Umzug...und eigentlich bewege ich nichts...keine Ahnung wie das Samstag laufen soll...ich schaffe nichts...es ist, als würde nun ich ihn verlassen...raus aus unserem Zuhause, unserem Nest...all die vielen schönen Stunden, des Alltags...Schaaaatz kommst du mal...ich musste seinen Schrank ausräumen und wäre mein Sohn nicht da gewesen, wäre ich einfach im Schrank liegen geblieben...alles alles ging durch seine Hände...wie kann ich es weg tun, hier lassen...noch dazu hat mein Mann wirklich alles aufgehoben, uralte Kleidung, vor meiner Zeit...das geht...aber ansonsten...alles was durch seine Hände ging, seine Tassen, seine Kaffeemaschine...immer meine Entscheidung, was nehme ich mit, was lasse ich da...jedes Teil das ich nicht mitnehme kommt mir vor wie ein Verrat an ihm...er mochte so vieles...das ist doch schön...
    Als ich hierher kam, war die Wohnung...naja...er hatte nicht viel nach einer Rosenkriegscheidung...
    Bevor er gestorben ist, in den letzten Wochen davor sagte er zu mir...ohne dich wäre ich schon lange tot...er hatte Selbstmordgedanken, nach der Ehe...und dann ging unsere Zeit los...ich fühlte mich mit ihm jung und wild und alles war Liebe...er war mein kleiner Rocker, obwohl er im Herzen konservativ war...aber halt ein Jeanstyp mit seinen Ohrringen...immer jünger angezogen als er war, aber es passt zu ihm...
    Nun ist alles vorbei...ich verlasse unser Nest...das mittlerweile nur noch eine Wohnung ist...ohne ihn ist hier alles leer, ohne Leben, nichts hat mehr Glanz...dabei war doch ich die Dekorateurin und Einrichterin...seine Seele fehlt, sein Lachen fehlt...mein Sohn sagt, du müsstest schon längst hier weg sein...mein Therapeut sagt, sie nehmen ihren Mann mit sich auch ohne seinen Schrank...den ich nie mochte, aber er hing so an ihm...vielleicht versteht es mein Verstand in wenigen Minuten des Tages...aber dann ist da nur Schmerz, nur Verlust, nur Schuldgefühl...ich gebe auf was uns wichtig war, die beste Zeit unseres Lebens war...verrate ich ihn? Ich weiß es nicht. Bin ich ausser Haus, geht es ....je näher ich unserem Zuhause komme um so mehr Druck habe ich auf der Brust, weine, bin unruhig...was ist richtig, was ist falsch? Ich hatte so oft früher zu ihm gesagt, lass uns hier weggehen, ich mag hier nicht leben...die Mentalität der Leute, ich komme damit nicht klar...er...aber wir haben es doch so schön hier...nichts ist mehr schön...noch nicht mal der Gedanke...ich werde ihm dann dort näher sein, bin näher am Friedwald...ein Baum...nicht er...
    Ich weiß nicht, wie ich das alles Schaffen soll...ich habe keinen Platz mehr, keine Wurzeln mehr, er war meine Wurzel...er fehlt, ich bin kein Ganzes mehr...


    LG Leah

  • Liebe Leah,


    mir geht es ganz genauso.. Ich weiß, was Du durchmachst und viele hier auch. Mein Mann war auch mein Lebensmensch und auch ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne ihn weitergeht. Seine Wärme, seine Sprüche ( er war sehr humorvoll ) die Sicherheit, die er mir gab.....alles weg. Jetzt rede ich immer in Gedanken mit ihm.
    Lass Dich umarmen !


    LG Miggel

  • Hallo Leah! Ja Du weißt nicht weiter. Ich kann dies gut verstehen. Mir geht es auch so. Ich muss umziehen und muss vieles weg geben. Man fühlt sich als würde man Verrat begehen, bloß was sollen wir tun? Fühle Dich von mir in den Arm genommen und festgehalten, denn es heißt ja immer geteiltes Leid, ist halbes Leid. Gib nicht auf Du schaffst es. Ich wünsche Dir sehr viel Kraft für die Zukunft.
    Viele Grüße Christina

  • Hallo Leah! Ich weiß ganz genau wie Du Dich fühlst leer, kraftlos und ohne jede Energie. Ich habe meine Mutter verloren. Ich wohnte mit ihr zusammen. Sie war für mich Mutter, Freundin und Ratgeberin alles in einem. Wir beide waren erst vor 11/2 Jahren in die große Wohnung gezogen. Während dieses Umzugs kam die Nachricht vom Krebs. Ich konnte es kaum fassen. Doch sie machte mir immer wieder Mut. Ich bekomme jetzt frisches Blut und mir geht es wieder gut. Du ich lasse mich am Darm operieren. Dies geschah auch. Du ich nehme Chemo und dies geschah auch. Die ersten Infussionen hat sie gut vertragen. Sie bekam immer 2 Infussionen im Krankenhaus und eine am Port angeschlossen und auf den Bauch gelegt mit nach Hause. Im Krankenhaus dauerte es immer sehr lange, dann war sie fix und fertig. Dann wurde sie Anfang des Jahres umgestellt auf Tabletten. Von da an hat sie immer weniger gegessen. Sie bekam über Nacht künstliche Nahrung, konnte aber den Rucksack nicht alleine tragen, deshalb rief sie mich und ich ging mit ihr. Ich trug den Rucksack und sie lief an der Leine. Jeder Portion Essen war zu groß. Zusätzlich habe ich ihr noch ein Stück Banane gedrückt, aber auch dies war zuviel. Zum Schluss war sie nur noch Haut und Knochen. Am Montag ging ich noch mit ihr spazieren und am Dienstag habe ich gefragt, ob ich zur Arbeit gehen kann. Sie meinte ja. Von dort aus habe ich angerufen aber sie nahm nicht ab. Dann rief die Ernährungsschwester an, auch da nahm sie nicht ab. Ich bin sofort nach Hause gefahren. Dort lag sie und hatte nicht mal getrunken. Ich habe die Rettung gerufen und der Arzt meinte zu mir, sie sehen doch das sie stirbt oder. Dann schimpfte er noch mit ihr, dass habe ich ihm zum Glück verboten. Er nahm sie mit ins Krankenhaus und von dort erhielt ich den Anruf sie muss hier bleiben. Ich bin dann hin und habe ihr Sachen gebracht. Ich hatte das Gefühl es geht ihr etwas besser. Am Mittwoch saß sie am Bettrand und hat ein bisschen Gries gegessen und als ich am Donnerstag hin kam, sagte sie zu mir meine Sachen sind gepackt, ich werden verlegt auf eine Paliativstation, da brach für mich eine Welt zusammen. So geschah es am Freitag. Unsere Hausärztin hat mich ab dann krank geschrieben und dann bin ich dort hin gefahren. Die Oberärztin machte mir keine Hoffnung. Als ich kraftlos das Haus spät verlies und wieder hinkam, war sie eingeschlafen. Dies kann und will ich auch nicht vergessen. Deshalb kann ich Dich sehr gut verstehen. Jetzt der Umzug überfordert mich ganz schön, aber ich werde es schaffen und auch Du Leah wirst es schaffen.
    Ich reiche Dir die Hand zum Festhalten, um Dir Halt zu geben, der Dir jetzt fehlt. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft. Viele Grüße Christina

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