Liebe Kate,
zunächst einmal möchte ich Dir mein herzliches Mitgefühl zum Tod deines Vaters ausdrücken.
Der Tod eines sehr nahestehenden Menschen ist ein einschneidendes Ereignis. Ein Freund von mir, der eine Priesterausbildung hat, nannte es "Zäsur". Das Wort trifft es wohl noch besser. Es wäre eine Illusion, zu glauben, man könne das überwinden in dem Sinn, daß man hinterher wieder derselbe Mensch wäre wie vorher. Das ist unmöglich und das ist in einem gewissen Sinne auch gut so.
Mein Vater ist vor nicht ganz zwei Jahren verstorben. Er ist fast 89 Jahre alt geworden. Er hat vier Schlaganfälle überlebt, ich bin selbst heute 63 Jahre alt und ich war natürlich in der ganzen Zeit immer darauf vorbereitet, daß er stirbt. Es war mir aber auch aus heutiger Sicht ein großer Trost, daß wir noch ein paar Jahre zusammen hatten. Sein Tod kam dann trotzdem überraschend, im Juli 2023 während der Tour de France, die eine seiner großen Leidenschaften war. Die Hälfte der Etappen hat er noch am Fernseher verfolgt, den Zieleinlauf in Paris hat er leider nicht mehr erlebt. Wir hatten eine Haushaltshilfe, die noch am Montag im Haus war, nichts böses geahnt hat und am Mittwoch war er schon nicht mehr da. Diese Dame hat mich dann nochmal besucht und war geschockt, daß es so schnell gegangen ist. Ich habe noch an dem Mittwoch gehofft, daß er aus dem Krankenhaus nochmal zurückkommen würde in sein Haus, ich hatte den Pflegedienst und die Palliativversorgung schon für seine Rückkehr organisiert, aber leider ist er dann im Krankenhaus verstorben.
Die Zeit danach ist sehr schwer, keine Frage, das war auch für mich so. Ein paar Monate braucht jeder Mensch, um sich mit den Tatsachen abzufinden, aber was geschieht danach? Du bist ja auch noch jung, hast Du jemanden, mit dem Du das persönlich besprechen kannst, was jetzt in dir vorgeht? Was ist mit deiner Mutter? Wie kommt sie damit zurecht, kann sie dir helfen? Hast Du Geschwister? Mit 63 kann man damit allein klarkommen, aber mit 19 hätte ich auch nicht gewußt, wie ich damit umgehen soll.
Als vielleicht ganz kleine Hilfe für den Moment kann ich dir nur sagen, stell dir vor, er sei noch da. Du kennst ihn gut, stell dir vor, wenn du an einen Ort kommst, an dem Du mit ihm schon einmal gewesen bist, was würde er dir dann sagen? Halte sein Andenken lebendig, laß ihn ein Teil deines Lebens bleiben, wenn auch nur in Gedanken. Das ist mir immer ein kleiner Trost gewesen.
Wenn Du mehr darüber reden möchtest, immer gern.
Liebe Grüße
Ralf