Liebe Unhappymind,
Dein Schicksal hat mich sehr bewegt- wohl, weil es dem meinen so ähnlich ist. Nur waren es bei uns keine 3 Jahre, sondern "nur" 11 Monate- und doch habe ich eine ziemlich genaue Ahnung von dem, was Du durchgemacht hast und wie es Dir jetzt geht. Mein Mann hatte Lungenkrebs mit Hirnmetastasen und diese verändern die Persönlichkeit vermutlich ähnlich wie ein Hirntumor, jedenfalls habe ich mich in Deinen Worten sehr wiedergefunden. Und ich habe auch die ganze Zeit arbeiten müssen und kenne dieses schlechte Gewissen, dass man immer denkt, man hätte viel mehr tun können. Diese Zerrissenheit, einerseits auf der Arbeit funktionieren zu müssen und andererseits die Pflege zu managen und doch immer zu glauben, dass man dem Partner, dem Mann nicht gerecht wird.
Und als dann das unvermeindliche geschehen ist, da war nur einen ganz kurzen Moment die Erleichterung da, dass es nun vorbei ist, dass dieses ganze furchtbare Leiden für ihn ein Ende hat. Und alle haben gesagt, dass es besser für ihn ist, dass er nun keine Schmerzen mehr hat und nicht mehr leiden müsse...
Aber ich hätte nur noch schreien können. Nein, das war nicht besser- besser wäre es gewesen, wenn er gar nicht krank geworden wäre, wenn er wieder hätte gesund werden können, wenn wir gemeinsam hätten halt werden können... Es gab keinen Trost und all die hilflosen Versuche der Familie und Bekannten machten es nicht besser. Gar nichts konnte es besser machen...
Damals bin ich hier in diesem Forum gelandet und habe manchmal nächtelang unter Tränen gelesen oder geschrieben. Dieses Schreiben hat sich für mich zu einer Art Therapie entwickelt und ich wüsste nicht wie ich es ohne dieses Forum geschafft hätte. Ohne diese tollen Menschen, die ich hier kennengelernt habe, mit denen ich nächtelang und monatelang gemeinsam geweint habe und von denen ich einige im Laufe der Zeit auch persönlich kennenlernen durfte, und einige Freundschaften sind bis heute geblieben...
Inzwischen ist dieser persönliche Supergau fast 4 Jahre her und ich hab mein Leben wieder so einigermaßen im Griff. Aber es war ein langer, schwerer Weg und selbst auf die Gefahr hin, Dir Angst zu machen- aber das Schlimmste liegt tatsächlich noch vor Dir. Ich hatte immer geglaubt, dass die Zeit der Krankheit, der Pflege, des Mitansehenmüssens, wie der geliebte Mensch immer mehr an Lebensqualität verliert und immer weniger er selbst wird die Schlimmste war- aber im Nachhinein muss ich sagen, dass die Monate und Jahre der intensiven Trauer noch viel schlimmer waren. Denn bei all dem Schlimmen in der Zeit der Krankheit war doch der geliebte Mensch immer noch da, und allein das hat einem so viel Kraft und Trost gegeben, dass man alles aushalten konnte. Aber nun, nun ist man allein- die größte Krise des eigenen Lebens muss man allein durchstehen. Jetzt, wo man den Partner am meisten bräuchte, jetzt ist der nicht mehr da.
Wie hält man das aus? Ganz ehrlich- ich weiß es nicht. Man hält es ja gar nicht aus- man funktioniert einfach nur. Immer nur einen Tag nach dem anderen, ohne Pläne, ohne etwas zu erwarten. Immer wieder Tränen, immer wieder Schmerzen, immer wieder Trostlosigkeit, Schlaflosigkeit, Sehnsucht, Vermissen... Und niemand kann es Dir abnehmen.
Schöne Bilder der Erinnerung- ja, sie werden kommen, aber das braucht Zeit. Bei mir hat es tatsächlich über ein Jahr gedauert, ehe ich auch mal wieder eine schöne Erinnerung an ihn hatte, lächeln konnte bei dem Gedanken an ihn. Bis dahin gab es auch in meinem Kopf immer nur diese Bilder der Krankheit, des Leidens, des Sterbens...
Hab Geduld, haben mir damals die User geschrieben, die schon länger dabei waren- und ganz ehrlich- es kam nicht bei mir an. Weil man es sich nicht vorstellen kann, dass es irgendwann wieder anders werden kann, dass das Leben tatsächlich weitergeht. Und nun gehöre ich selbst zu jenen älteren, die schreiben, dass es Zeit braucht, dass Du Geduld haben musst. Ich mag es fast gar nicht schreiben, weil ich weiß, wie wenig Du Dir im Moment vorstellen kannst, dass es tatsächlich irgendwann leichter wird. Weil es einfach keine Worte gibt, die Dich jetzt trösten und die Dir Mut machen können.
Aber trotzdem möchte ich Dir von ganzem Herzen alles Gute für Deinen Weg wünschen. Nutze Deinen Freundeskreis, nimm jede Hilfe an, die Du bekommen kannst. Und wenn Dir das Schreiben hier hilft, dann schreib. Denn hier wirst Du zumindest verstanden werden, hier versteht man Deinen Schmerz, hier fühlt man mit Dir...