Hallo,
es ist jetzt fast 5 Wochen her, obwohl ich gar kein Zeitgefühl mehr habe. Die erste Zeit war Schock, dann zwischen weinen, bis man keine Luft mehr bekommt, einfach nur fertig sein und "das Beste draus machen", aber heute kann ich nicht mehr und ich hoffe, ich habe hiermit ein gutes Forum gefunden, denn darüber reden kann ich kaum mit jemandem.
Lieblingsmensch, trifft es am besten. Meine beste Freundin könnte man sagen, aber eigentlich noch viel mehr, Ersatzmama, eine Art Lebenspartner, meine Familie und vor allem meine Seelenverwandte.
Ich bin um die 30 und sie war um die 20 Jahre älter, als wir uns vor 12 Jahren ganz zufällig im Netz kennen lernten, ganz banal. Die Mails wurden immer länger, wir fingen an zu telefonieren, die Telefonate wurden immer länger und im Laufe der Jahre haben wir praktisch jeden Tag von Morgen bis Abend geredet und ich habe die tiefste menschliche Beziehung geschenkt bekommen, die ich je hatte. Den Menschen, nach dem ich immer gesucht habe, der irgendwie genau wie ich war, genauso dachte, fühlte, dem man vollends vertrauen konnte, dem ich meine tiefsten Geheimnisse erzählen konnte, der mir durch alles hindurch geholfen hat, mit dem ich die tollen Dinge des Lebens teilen konnte.
Nach drei, vier nicht so schönen Jahren, in denen wir beide viel Pech und Veränderungen erlebt hatten, ging es letztes Jahr endlich wieder bergauf und wir hatten ein tolles Leben geplant. Bis es ihr ab späten Sommer plötzlich immer schlechter ging. Ich sagte ihr, sie müsse zum Arzt, sie wartete ab, ging dann aber doch und es wurde keine Diagnose gefunden. Ab Dezember ging es noch schlechter, noch ein paar Fehldiagnosen bis Ende Februar. Dann kam es schwarz auf weiß: Krebs. Und laut Arzt nur noch 3-6 Monate. Letztlich waren es schwache 2 Monate.
Jetzt sitze ich da und weiß nicht wirklich weiter. Wenn ich meine Mutter nicht mehr hätte, sähe ich im Leben gar keinen Sinn mehr. Ich habe Gott sei Dank auch noch eine gute Freundin, die aber selbst ernste Probleme hat. Alle anderen geben mir das Gefühl, dass es jetzt mal gut sei mit meiner Trauer, aber das ist es für mich leider noch lange nicht.
Ich konnte sie leider nicht mal mehr sehen wegen Corona und der Tod kam auf einem sehr schnell. Ich habe von einigen in den letzten Wochen gehört "war doch nur eine Freundin und keine Familie", aber für mich war sie definitiv mein Partner im Leben, nur ohne Sex. Für sie war es übrigens das gleiche, das letzte was sie mir sagte, war, dass ich der Mensch sei, den sie ihr Leben lang gesucht hat und mich mehr liebt, als sie sagen kann. Ich dachte auch nicht, dass sowas möglich ist, aber wir waren wie Eins.
An manchen Tagen denke ich immer, da kommt noch was, es war alles nur ein Traum oder ein schlechter Scherz. Es ist einfach alles weg, unsere ganzen Träume, Ziele und Pläne. "Unser tolles Leben, das vor uns liegt", wie sie immer gesagt hat. Das Schlimmste ist, dass es so vieles gibt, das nur sie verstanden hat und ich nur mit ihr teilen konnte, vor allem die schönen und besonderen Dinge des Alltags. Wie schön war es zu wissen, da gibt es jemanden, der wartet jeden Tag auf dich, der freut sich mit dir, wünscht dir wirklich das Beste und liebt dich so wie du bist. Als es ihr am Ende zu schlecht zum Reden ging, als dass sie hätte telefonieren können, da habe ich ihr gesagt "das macht gar nichts, so lange es einen Menschen wie dich auf der Welt gibt, ist alles gut".
Was mich zusätzlich zu meiner Mutter durchhalten lässt, ist die Gewissheit, dass sie wollte, dass ich glücklich bin und sie selbst so ein endlos positiver Mensch war, der in allen Katastrophen und Dramen des Lebens immer an das Gute und Bessere geglaubt hat. Aber das tut ja auch so weh, dass so ein Mensch, der auch so viel noch vorhatte, einfach verschwindet...