Männer trauern anders

  • Ich las vor einiger Zeit ein Interview mit Martin Kreuels, der das Buch "Männer trauern" anders geschrieben hat.


    Das Interview könnt ihr auf der Seite des NDR unter Ratgeber und dem Stichwort Männer-trauern-einfach-anders nachlesen.


    Tenor des Interviews war: evolutionsbedingt trauern Männer anders:


    Männer können nicht gut über Gefühle reden / Frauen können sehr gut über Gefühle reden
    Männer weinen heimlich / Frauen weinen in der Öffentlichkeit
    Männer verfallen in Aktivität / Frauen fallen in eine Lethargie


    Nach dem Lesen des Interviews habe ich mich gefragt ob im 21. Jahrhundert tatsächlich noch die Jäger & Sammler-Begründung herhalten muss.
    Ist es nicht eher ein gesellschaftliches Problem? Wir sind zwar um Gleichstellung bemüht, Kinder werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr nur von Frauen erzogen, Erziehung läuft auch nicht mehr so krass geschlechterspezifisch ab (Mädels = Puppe, Jungs = Auto) aber das Stereotyp Mann = stark, Frau = schwach ist immer noch vorherrschend. Männer in Frauenberufen, z.B. in der Pflege und Hege unserer Kleinen, Alten, Schwachen und Kranken, sind Softies und bestimmt schwul, während Frauen in Männerberufen Hardcore-Emanzen sind... ist vielleicht überspitzt, trifft aber die "richtige" Zuordnung: Mann = hart und Frau = weich, ziemlich gut.


    Nun, egal ob Jäger und Sammler-Theorie oder Gesellschaftskritik... mich interessiert Eure Meinung, gibt es tatsächlich eine Kategorisierung in weibliche und männliche Trauer? Ist es diese Unterschiedlichkeit, das Männer hier so wenig vertreten sind und sind die hier anwesenden Männer eine große Ausnahme der Regel?


    Liebe Grüße
    Carmen

    Da ist ein Land der Lebenden
    und da ist ein Land der Toten.
    Die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe,
    das einzig Bleibende, der einzige Sinn.


    © Thornten Wilder

  • Liebe Carmen,


    man muss nicht alles soziologisch sehen. Man kann auch den entgegengesetzten Fehler machen, alles psychologisch zu sehen, dem ich gerne verfalle. Und der Psychologe in mir sagt: Frauen sind nun mal sprachbegabter und damit mitteilsamer als Männer, um mal das Positive hervorzuheben. Sie sind auch im Durchschnitt gefühlsbetonter als Männer. Das sind wertfreie Eigenschaften, die sich belegen lassen und die keine Vorurteile sind. Alles beste Voraussetzungen für emotional bestimmte Foren wie dieses. Damit ist erklärt, warum in diesem Forum kaum Männer vertreten sind. Damit ist aber nicht gesagt, dass Männer von Natur aus anders trauern. Ich lasse jetzt mal Dressate wie "Ein Junge weint nicht" beiseite, weil sie kaum mehr eine Rolle spielen. Die Art des Trauerns hängt viel mehr von anderen (psychischen) Parametern ab: Intro- oder Extravertiertheit, Willens- oder Gefühlstyp, Egoismus oder Altruismus, Alter usw., also alles Kriterien, die quer zu den Geschlechtern liegen, d.h. mit dem Geschlecht nichts zu tun haben. Es gibt den "weichen" Mann so gut wie die "harte" Frau. Und was sie nur im stillen Kämmerlein oder in der Öffentlichkeit zeigen, das ist wieder Soziologie, aber, entschuldige, dem Thema "Trauer" nur bedingt angemessen.


    Nach Wilhelm Dilthey gibt es erklärende und verstehende Wissenschaften. Zu den erklärenden gehören die Naturwissenschaften, aber auch, wie ich meine, die Soziologie. Die Psychologie gehört beiden "Lagern" an: sie erklärt und versteht. Ich finde, Trauer muss man nicht viel erklären, aber sehr viel verstehen, und darum ist die Psychologie die angemessenere Wissenschaft, nach der Philosophie.


    Gruß Niko

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

    Einmal editiert, zuletzt von Niko ()

  • Liebe Carmen,


    unter den Autoren von Trauerbüchern ist die männliche Welt jedenfalls recht gut vertreten, also kann Mann generell durchaus über Trauergefühle reden und schreiben.


    In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es ebenfalls über ihre Gefühle sprechende Männer, was ich sehr schön finde.
    Ich sehe das ein bisschen wie @Niko, nämlich dass es auf die weiblich/männlichen Anteile, die Erziehung und den Seelenzustandes des trauernden Menschen ankommt, ob er darüber schreiben/reden kann oder möchte.


    Habe allerdings mal irgendwo eine Erhebung gelesen, in der nachgewiesen worden ist, dass sich ein hoher Prozentsatz der Witwer innerhalb relativ kurzer Zeit wieder auf der Suche nach einer Partnerin befindet, während das bei den Witwen deutlich später und in viel geringerer Zahl vorkommt. Das spricht zumindest dafür, dass viele Männer anscheinend "schneller" durch die Trauer gehen. Aber ob das wirklich so ist?


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

    Einmal editiert, zuletzt von Frieda ()

  • Ich möchte es mal ganz vorsichtig so umschreiben: Ich war zweimal zu Besuch bei unserer örtlichen Trauergruppe, als einziger Mann. Ein drittesmal ging ich nicht hin: ich störte in dem Kaffeekränzchen nur. Nichts gegen Kaffeekränzchen, aber Männer können damit nicht viel anfangen. Nun ist das böse Wort gefallen, es ist aber nicht bös' gemeint, eher liebevoll.

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

  • Ich möchte es mal ganz vorsichtig so umschreiben: Ich war zweimal zu Besuch bei unserer örtlichen Trauergruppe, als einziger Mann. Ein drittesmal ging ich nicht hin: ich störte in dem Kaffeekränzchen nur. Nichts gegen Kaffeekränzchen, aber Männer können damit nicht viel anfangen. Nun ist das böse Wort gefallen, es ist aber nicht bös' gemeint, eher liebevoll.


    Das kann ich gut nachvollziehen, lieber Niko.


    Aber in einem Trauerforum? Ist der absolute Frauenüberschuss auch hier hemmend? Hier gibt es ja auch so einige "Kränzchen". :)


    Aber die Themen hier sind so vielfältig.


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Schlage als Gegengewicht zum "Kaffeehaus" einen zusätzlichen "Stammtisch" vor, mit Bier und Skat, vielleicht erhöht das die Männerzahl. Es lebe das Klischee! :D


    Bleibt aber die "Sprachfaulheit" der Männer. Und die sehe ich durchaus nicht negativ. Männer packen gern in 1 Wort, wozu man auch 3 Sätze reden könnte. Mit Ausnahme von Campingplätzen: hier sind die Männer unglaublich redselig, bis nachts um 2. Warum? Weil das Bier die Zunge löst. Also: Stammtisch!

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

    2 Mal editiert, zuletzt von Niko ()

  • Schlage als Gegengewicht zum "Kaffeehaus" einen zusätzlichen "Stammtisch" vor, mit Bier und Skat, vielleicht erhöht das die Männerzahl. Es lebe das Klischee! :D ..."


    das ist echt lustig Niko! ^^


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • das ist echt lustig Niko!


    Das ist nicht lustig, liebe Frieda, das ist Männer-Emanzipation und Gleichberechtigung! ^^


    Wo ich gerade so schön dabei bin: Immer wenn ich im TV einen Krimi mit einer Kommissarin sehe, die einen Stall voll männlicher Mitarbeiter herumscheucht, murmele ich mir zu: "Die Männer sind immer die Blöden. Die Blöden sind immer die Männer. Such' dir einen von beiden Sätzen aus!" Har har!

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

    2 Mal editiert, zuletzt von Niko ()

  • Also das Thema hat mich auch schon beschäftigt. Ich habe mich schon ein paar mal gefragt, wie sich mein Mann verhalten würde wenn ich gestorben wöre statt ihm.....
    also er hätte sich in die arbeit gestürzt, würe ja nicht gekündigt worden so wie ich es bin, er hätte sich sicher nicht in einem Gorum oder zum Trauerseiminar angemeldet, wahrscheinlich hätte er still vor sich hingelitten und sich niemand geöffnet. Trauriger Gedanke....

  • Liebe Platessa,


    Männer trauern wirklich anders. Mein Freund hat seine Mutter vor Jahren verloren. Er sagte er kann nicht trauern. Er war traurig und er vermisst Sie sehr vor allem die Gespräche, die er mit seinem Vater nicht führen kann. Seinem Vater hat man auch angemerkt das er trauerte, aber nur körperlich. Er hatte in der Zeit ziehmlich abgebaut. Jetzt wo mein Bruder nicht mehr da ist, habe ich gesehen, dass es meiner Mutter das auch sehr nah geht und sie zeigt es auch. Mein Vater denke ich ist auch sehr traurig, aber er zeigt es nicht so wie meine Mutter. Aber ich habe auch schon Männer gesehen die öffentlich geweint haben. Sie denken immer Sie müssen stark sein und dürfen sich nicht gehen lassen, dass ist nicht männlich. Manche bekommen das schon richtig anerzogen. Es sollte sich niemand seiner Tränen schämen. Das zeugt von mitfühlen und verbunden sein.


    Liebe Grüße

  • Deiner vielleicht, Jenny, aber Männer im Allgemeinen? Einzelfälle sind interessant, aber beweisen nichts.

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

  • Liebe Jenny,


    das habe ich mir schon gewiss hundert Mal vorgestellt: Wie hätte er getrauert .... er hätte seine Gefühle künstlerisch umgesetzt, hätte Gedichte geschrieben, neue Lieder komponiert. Er wäre in keinem Trauerforum und in keiner Trauergruppe. Da bin ich mir auch sehr sicher. Und selbst, wenn mein Tod ihm eine Kreativsperre "verschrieben" hätte, hätte er sich vielleicht betrunken, bekifft oder sonstwie abgelenkt bis er wieder hätte Musik machen können. Er war ein sehr gläubiger Mensch und er hätte sicher auch im Spirituellen seinen Trost gefunden.


    Was ich damit sagen möchte: er konnte sehr gut über seine Gefühle sprechen, aber es war ihm kein starkes Bedürfnis. Er hatte andere "Flüsse", andere Möglichkeiten.


    Alles Liebe Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein


  • Wo ich gerade so schön dabei bin: Immer wenn ich im TV einen Krimi mit einer Kommissarin sehe, die einen Stall voll männlicher Mitarbeiter herumscheucht, murmele ich mir zu: "Die Männer sind immer die Blöden. Die Blöden sind immer die Männer. Such' dir einen von beiden Sätzen aus!" Har har!


    Das hast du nachträglich in deinem Beitrag editiert und mein deinem Beitrag gegebenes "like" gilt hierfür natürlich nicht! :saint:


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Das hast du nachträglich in deinem Beitrag editiert und mein deinem Beitrag gegebenes "like" gilt hierfür natürlich nicht! :saint:


    Klar, Frieda, hab' ich auch nicht angenommen.

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

  • Männer trauern nicht anders - JEDER trauert anders.

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

  • och Mensch Niko - da sagst du was! Das stimmt so sehr. Das ist wirklich schön, was du da schreibst.


    Männlein und Weiblein trauern und Jedes trauert für sich anders ... das gefällt mir! :)


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Jeder Mensch ist in seiner eigenen Trauer. Die eigene Trauer ist ein "Anreiz", zum Leben zurück zu finden. Und dadurch auch ein ganz eigener Weg, eine Chance, das Leben weiter zu leben.


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Was uns aber nicht von der Frage ablenken sollte, wie wir hier mehr Männer reinkriegen. Mit Bier und Skat ist es ja wohl nicht getan.


    Entschuldige, Frieda, wir waren beide gleichzeitig.

    In meinem Herzen Seligkeit und Frieden. Um mich herum die köstliche Abendstille. Da zieht so süße Seelenruhe ins Gemüt und nimmt sanft Besitz von jeder Faser des ganzen Seins und Wesens. (Paula Modersohn-Becker)

  • Was uns aber nicht von der Frage ablenken sollte, wie wir hier mehr Männer reinkriegen. Mit Bier und Skat ist es ja wohl nicht getan.


    Lieber Niko,


    hast du denn eine Idee? Ich würde es den trauernden Männern wünschen, dass sie sich in einem erwählten Forum Hilfe für ihre schlimme Situation suchen würden und finden könnten.


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!