Die Trauer um meinen Allerliebsten hat einen gehörigen Platz in meinem Leben eingenommen

  • Ihr Lieben,


    habe Großmutter, Mutter und bereits einige sehr liebe Freunde "verloren". Das ist dann so mit den Jahrzehnten. Den Partner zu erleben, wie er gestorben ist und wie dann alles irgendwie weiter geht, das ist nochmal etwas ganz anderes.


    Ich merke, wie er immernoch zu mir gehört, erzähle von ihm, weil er doch alles hier mitgestaltet und möglich gemacht hat und und und ...


    Seine Energie ist hier und meine ist hier. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er ganz direkt hier ist - nur anders. Bin ich jetzt verrückt geworden? Nein, bin relativ normal, führe ein unaufdringliches Leben und bin in keinster Weise in Trauer versunken.


    Und doch ist diese Trauer ein Teil meines Lebens geworden. Spreche manchmal mit ihm und erhalte gefühlte Antworten. Es gibt auch noch Tränen, keine Frage.


    Ich werde wohl mit dieser Trauer leben, auch wenn ich immer wieder sehr glücklich bin. Es scheint sehr unwahrscheinlich, aber traurig sein und glücklich sein geht.


    ALFrieda

  • Ihr Lieben, habe schon manchmal darüber geschrieben, dass traurig sein und glücklich sein geht. Warum habe ich das geschrieben? Weil ich es erlebt habe.


    Und ich erlebe es noch. Oft bin ich traurig, weil mein Allerliebster nicht mehr da ist und bin glücklich, weil mein Leben da ist.


    Ich lebe!!!


    Gerade habe ich eine 82-jährige Frau zu Gast, die erst vor 2 Jahren ihren langjährigen Ehepartner verloren hat. Sie ist noch etwas - wie soll ich sagen - orientierungslos, aber sie macht das prima. Sie liebt ihn nach wie vor, das ist zu spüren. Sie liebt ihr Leben nach wie vor, das ist auch zu spüren. Sie ist so lustig und listig und ich kann nicht anders, als sie gern zu haben.




    ALFrieda

  • Liebe Frieda,


    ich fühle da genau so wie Du!


    nachdem ich 32 Jahre in der Großstadt gelebt habe, habe ich vor 6 Jahren meine Wohnung aufgelöst und bin wieder in mein Elternhaus auf dem Land gezogen, weil mein Vater mit der Pflege meiner an Demenz erkrankten Mutter überfordert war. Ich hatte immer eine gute Verbindung zu meinem Elternhaus, bin oft am Wochenende dort gewesen und habe es immer als meine Heimat empfunden, was auch damit zu tun hat, daß ich hier eine viel größere Lebensqualität habe, wenn ich nicht unbedingt von einer beruflichen Karriereentwicklung abhängig bin.

    Es war immer klar, daß unsere Lebenssituation aufgrund des Alters und der Gesundheit meiner Eltern eine vorübergehende war. Genauso klar war, daß ich irgendwann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hier allein zurückbleiben würde. So gesehen, war es auch eine Entscheidung über mein Leben über den Tod meiner Eltern hinaus.


    Die letzten Jahre waren sehr intensiv, ich mußte vieles zurückstellen von dem, was ich gerne gemacht hätte in der Zeit, weil die Betreuung meiner Eltern immer mehr Zeit in Anspruch nahm und die Pausen dazwischen nicht mehr sinnvoll nutzbar waren. Die Kraft konnte ich aufbringen, weil mir klar war, daß meine Eltern nicht nicht mehr sehr lang leben werden. Ich konnte meinen beiden Eltern ein Pflegeheim bis zu ihrem Tod ersparen, was der größte Wunsch meines Vaters in seinen letzten Jahren war, den habe ich ihm nun endgültig erfüllt, auch was meine Mutter angeht. Viele ärgern sich nach dem Tod ihrer Eltern darüber, daß sie es verpaßt haben, noch etwas für sie tun zu können. Das habe ich nicht verpaßt und das erfüllt mich mit großer Zufriedenheit.


    Ich wußte natürlich nicht, wie lange diese Zeit der Zurückstellung meiner Bedürfnisse dauern würde, aber ich habe es gemacht, ich habe Gott vertraut, daß ich es trotz meiner fehlenden Erfahrung gut machen würde und daß ich auch nie die Kraft verlieren würde, ich habe mir nie gewünscht, es möge zu Ende sein, ich hätte es so lange gemacht, wie es nötig gewesen wäre, wie auch immer ich es geschafft hätte. Es hätte auch noch viele Jahre länger dauern können, ich hätte es gerne gemacht, aber wann es zu Ende ist, bestimmt Gott und das habe ich immer akzeptiert.


    Deshalb fällt es mir auch nicht schwer, genauso wie nach dem Tod meiner Mutter, die Tatsachen zu akzeptieren, die sich irgendwann zwangsläufig eingestellt hätten. Wenn ich an Orte komme, mit denen ich Erinnerungen an meine Eltern verbinde, dann tut das immer noch weh, aber ich versuche, die schönen Erinnerungen, die bleiben, mitzunehmen. Unternehmungen, die mir ohne meine Eltern keinen Spaß mehr machen, stelle ich ein, aber es öffnet sich je gleichzeitig ein Fenster, das zu tun, das ich jahrelang zurückgestellt hatte, weil ich keine Zeit mehr dazu gefunden hatte. Daran Spaß zu finden und gleichzeitig den Verlust der Eltern zu betrauern, schließt sich gegenseitig nicht aus.


    Ich besuche das Grab meiner Eltern, wenn es aus praktischen Gründen sinnvoll ist: Blumen gießen, neue Kerze anzünden, den Baum zurechtschneiden. Ich brauche das nicht zweimal am Tag, wenn ich ein- oder zweimal pro Woche dort bin, ist das genug und es erfüllt mich dennoch mit Frieden und Freude. Denn meine Eltern sind ja nicht einfach weg, sondern wohnen jetzt auf dem Friedhof, den ich besuchen kann, wann immer ich es will.


    In der Zwischenzeit entdecke ich meine Interessen neu, jetzt, wo ich die Zeit dazu habe und das ist gut so. Auch meine Lebenszeit ist begrenzt und ich möchte trotz allem nach vorne sehen.


    Liebe Grüße

    Ralf

  • Lieber Ralf,


    es tut gut zu wissen, das Richtige getan zu haben. Was ist das Richtige? Nun, zuerst mal spürst du es in dir selbst, in deinem Herzen.


    Als mein Allerliebster eine Aortendissektion erlitten hatte und sich für einige Zeit nahe am Tod aufhielt, fragte mich der Professor der Uniklinik, ob ich gläubig wäre und ich antwortete in all meinem Schmerz mit "hmmm ja". Er meinte, dass er und sein Team alles getan hätten und jetzt wirklich beten helfen würde. Was habe ich gebetet, bin durch die Straßen gelaufen, habe die Märkte mit Frühlingsblumen gesehen und die Menschen, die ihr Leben gelebt haben in all der Hoffnung und in all den Illusionen. So habe ich das wahrgenommen.


    Für mich war "es" damals fast zu Ende - und doch ist es weitergegangen für wundervolle 7 Jahre, die ich absolut wertgeschätzt habe. Er hatte zwar die Reha "durchgeschwänzt", hat aber - als er wieder hier zuhause war - angefangen zu essen, zu laufen, hat auf den Knien im Garten Kraut gezogen und ist mit dem Hund losgegangen.


    Diese 7 Jahre haben uns Beide verändert. Er hat sich absolut nicht geschont, sondern bediente hier auf dem Hof eine Baustelle nach der anderen. Als ich ihm empfahl, doch lieber vorsichtig zu sein und vielleicht lieber die Bücher zu lesen, die er sich gekauft hatte und die er immer schon in Ruhe lesen wollte, verbot er mir solche "Einmischungen in sein Leben".


    Es war nicht einfach, denn manchmal hörte ich ihn hier keine Maschine bedienen und sah ihn auch nicht. Dann bin ich losgegangen, ihn zu suchen und wenn ich ihn in eine Arbeit vertieft irgendwo fand, dann war ich so froh. Oft hatte ich Angst um ihn und zeigte es ihm nicht.


    Aber ich habe das Richtige getan und das macht mich heute entspannter oder vielleicht sogar sicher darüber, auch in Zukunft das Richtige zu tun, egal was noch kommen mag.


    ALFrieda

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