Hallo,
ich habe einiges gelesen über Familien, die nach dem Trauerfall nicht mehr Weihnachten feiern.
Meine Familie macht das auch nicht. Der Trauerfall ist 2 Jahre her, im Oktober 2013 starb mein Bruder.
Meine Familie ist sehr klein und hat wenig Zusammenhalt. Meine Eltern wohnen nach einer langen Trennung notgedrungen zusammen, weil mein Vater nicht mehr alleine leben kann, haben sich aber im besten Falle nichts zu sagen. Im schlechtesten Falle schreit meine Mutter rum.
Mein noch lebender Bruder und ich sind Singles und verbringen Weihnachten bei den beiden, auch weil wir nur Winz-Wohnungen haben.
Mein verstorbener Bruder hatte das Downsyndrom und war daher Mittelpunkt jeden Festes, Weihnachten war nach dem Nikolaustag sein Jahreshöhepunkt.
Früherer Ablauf war:
Morgens am 24. nichts tun bzw. mein Bruder und ich kommen in Haus meiner Eltern.
Mittags Fahrt zur Kirche, kleines Getränk vor dem Gottesdienst, bombastischer Gottesdienst, Heimfahrt, Buffet vorbereiten (gekauft) oder große Lachsplatte etc. vorbereiten. Mein (verstorbener) Bruder "eröffnet das Buffet", man isst eine Kleinigkeit, danach 3 Stunden Bescherung, wobei jeder ein Geschenk unterm Baum wegnimmt, liest, für wen es gedacht ist, ihm das gibt, jeder noch mal rät, was das sein könnte und dem Beschenkten dann beim Auspacken zusieht, dann das Geschenk kommentiert oder ausprobiert wird und mein (verstorbener) Bruder das Papier einsammelt. Das letzte Weihnachten, das er erlebte, hatte eine zwei-abendliche Bescherung, weil so viele einzeln verpackte Geschenke da waren.
Am nächsten Morgen dann großes Frühstück, Ausprobieren der "Mittelpunktgeschenke" wie iPad oder beim letzten Weihnachten bekam mein Bruder ein Keyboard, dass dann alle der Reihe nach ausprobiert haben. Dann Spaziergang für "die Erwachsenen" zum Ausruhen, dann wieder Abendessen, DVD schauen.
So, nun wollte meine Mutter gar nichts machen, was mein Bruder gemocht hätte, weil sie das als Verrat empfand, also nicht schmücken, keinen Baum, keine Geschenke, kleines Essen.
Jetzt kommen wir also von der Kirche nach Hause, machen ein kleines Essen, schauen evtl. eine DVD (die letzten in einem Jahr war das ein Film, der keinem gefiel), gehen ins Bett. Im ersten Jahr hatten wir eine Erinnerungsrunde über meinen Bruder. Im zweiten Jahr saßen wir eher nur so da. Ich hatte für jeden eine kleine Geschenkbox mit Kleinigkeiten vorbereitet, die am ersten Weihanchtstag geöffnet wurde, dann machte man aber weiter nichts.
Mein verstorbener Bruder hatte sich gern in den Mittelpunkt gerückt mit Ansagen, Probst-sagen etc, und tatsächlich von sich aus eingeführt, dass man vor der Bescherung "an die Verstorbenen" (Großeltern) denken sollte. Darauf kam er ganz alleine.
Nun fehlt mir aber irgendwie ein Ritual, das das Weihanchtsfest mit etwas Sinn erfüllt. Es müssen keine Geschenke sein, aber ich möchte nicht nach der Kirche nach Hause kommen und wissen, dass jetzt alle außer uns feiern.
Irgendein Ritual, das den Abend füllt und im besten Falle nicht (nur) eine Trauerstunde ist, wäre schön. Da wir alle so "einzeln" sind, kommt es halt auch nicht zu Gesprächen, und wenn, zu kurzen. Früher haben wir auch mal Texte gesammelt und vor der Bescherung vorgelesen, aber auch diese Idee schlug letztes Jahr fehlt, die Resonanz war eher wie bei einer gelangweilten Schulklasse.
Zu sagen ist noch, dass in den letzten Jahren alle unsere (5) Großeltern gestorben sind und kein einziger Tod, auch nicht der der Mutter meiner Mutter, die sehr eng mit der Familie lebte, das Weihnachtsfest beeinflusst hat.
Wie könnte man das den Weihnachtsabend gestalten, so dass man ein besinnliches Zusammensein ohne Geschenke und ohne Trauer im Mittelpunkt hat?
("Ohne Trauer im Mittelpunkt" deshalb, weil jeder aus der Familie anders mit der Trauer umgeht, und mein Vater davon lieber nichts hören möchte, weil das zu viel für ihn ist, mein Bruder einfach der Ansicht ist, "im Himmel geht's ihm jetzt gut", und meine Mutter vieles schon vergessen hat und sehr überwältigt ist, wenn man ihr wieder etwas in Erinnerung ruft. Daher wäre Trauer im Mittelpunkt nicht so gut, weil am Ende alle ziemlich am Ende wären.)
LG von
Sister