Zurückziehen oder in eine Art "Abhängigkeit" geraten?

  • Hallo ihr Lieben,


    und ich spreche jetzt natürlich die "älteren Hasen" mehr an als die, die einen geliebten Menschen erst kürzlich verloren haben. Obwohl hier jeder dazu schreiben kann und darf.


    Ich habe seit einiger Zeit das Problem, dass ich mich in einem Trauerforum nicht mehr ganz richtig fühle und auf der anderen Seite gehöre ich doch immer noch da hin. Und dann kommt hinzu, dass ich mir angewöhnt habe, hier ständig zu sein. Ist das wirklich in Ordnung so? Es hat sich für mich eine Art Abhängigkeit gebildet. Manche mögen denken, dass das doch normal ist, aber ich entwickle manchmal Gefühle dafür, dass ich das nicht gut finde.


    Wie ergeht es euch Mitgliedern dieses Forums, die schon länger dabei sind? Könnt ihr mich verstehen? Wie fühlt ihr euch diesbezüglich? Habt ihr euch langsam "abgenabelt" oder braucht es das gar nicht. Geht es ganz von selbst, je nach Veranlagung? Ist das überhaupt nötig oder ist das o.k., auch noch nach Jahren hier täglich zu sein und sich jeden Beitrag zu Herzen zu nehmen?


    Ich finde es wunderschön, sich auch mal persönlich kennen zu lernen. Ich habe wirklich Lust darauf. Das Leben ist so unnachahmlich interessant. Das ist natürlich ganz schön, dass das durch dieses Forum möglich ist.


    Wünsche euch frohe Ostern
    Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Liebe Frieda,
    ich kann Deine Fragen, Deine Gedanken zu unserem Hiersein, im Forum, sehr gut verstehen.
    Ich bin mehrmals am Tag im Forum, nicht immer schreibe ich, häufig lese ich nur. Warum? Ich weiss es nicht immer, ich bin auf der Suche nach etwas! Nach Heilung, nach Trost, nach einem Versprechen dass es weiter geht, diese Leben dass jetzt so unwirklich erscheint, so gar nicht mehr meins. Und manchmal will ich auch kesen dass es anderen genaus so schlecht geht wie mir, dass sie das gleiche erleiden müssen, nur um mich nicht so allein zu fühlen.
    Hört sich schrecklich an, ist aber so.
    Ist da eine gewisse Art Abhöngigkeit? Möglicherweise schon. Eine emotionale Abhöngigkeit und eine Gewohnheit die zu meinem Alltag gehört. Aber so lange das reale Leben noch von uns gelebt wird ist das denke ich ok, so lange es sich ok anfühlt.
    Ich wünsche Dir scO. Der Tag wirdnkommenan dem wir uns lösen können, Stück für Stück!

  • Liebe Frieda,


    wenn es, wie Du schreibst, für Dich zur Zeit ein Problem ist, Dich hier "richtig" zu fühlen, dann mach doch einfach mal eine Pause und Du wirst schnell merken, ob Du das Forum noch brauchst, oder nicht. Ich habe mehrere Anläufe gebraucht und mich nicht nur einmal verabschiedet um dann doch wieder - mit etwas gesundem Abstand aktiv zu werden, weil ich merkte, dass ich noch etwas beitragen kann. Und letztlich bin ich im Hintergrund immer noch da, auch wenn ich nicht mehr zu all und jedem meine 5 Cent dazu geben will und auch gar nicht mehr kann, denn vieles kann ich nicht mehr nachvollziehen und auch nicht jede Wellenlänge, die mir da entgegenströmt entspricht der meinen.


    Es ist ja auch ein Unterschied, ob man selbst Hilfe sucht oder ob man Hilfe geben möchte, bzw. das überhaupt kann. Auch das ist nicht immer dasselbe. Zu Anfang saugt man die Beiträger älterer User auf wie einen Schwamm, sucht sozusagen eine Gebrauchsanleitung, ein Navi durch die Trauer. Dann macht man seine eigenen Erfahrungen, stellt fest dass der verhasste Spruch "Das Leben geht weiter" ja doch stimmt, dass es an einem selbst liegt, ob man das nun veränderte Leben annimmt, oder sich an die Vergangenheit klammert. Man gibt diese Erfahrungen weiter, wiederholt sich immer wieder, und stellt nach und nach fest, dass im Grunde ja doch jeder seinen eigenen Weg finden muss. Mit etwas Abstand kann man dann hin und wieder helfen, den Blickwinkel zu ändern und nimmt sich auch mal die Freiheit, dem ein oder andern auch mal einen sanften Tritt in den Allerwertesten zu geben, wenn man merkt, das sich jemand im Kreis dreht und mehr oder weniger vorwurfsvoll feststellt, dass die eigene Trauer ja ganz anders abläuft, man ja viel mehr geliebt hat usw. usw. Dazu sind dann allerdings PNs hilfreicher.


    Ich glaube, ein großer Fehler, der immer wieder gemacht wird, ist zu glauben, dass das Forum so eine Art Bringschuld hat. So wie ein Dienstleister, der schließlich dafür da ist, meine Probleme zu lösen. Das äussert sich dann darin, dass User enttäuscht, ja gar verärgert sind, wenn ihnen auf ihren Beitrag nicht sofort geantwortet wird. Man vergisst sehr schnell, dass am anderen Ende der Leitung, bzw. hinter dem Bildschirm ja auch nur Menschen sind, die selbst trauern und an die ich keine Ansprüche stellen kann.


    Ich denke, es ist völlig normal, wenn man nach einer gewissen Zeit, in der man hier Verständnis und ein virtuelles Zuhause gefunden hat, den Focus auch wieder auf das "richtige" Leben dreht. Man selbst ändert sich und das Forum ändert sich mit den Menschen, die kommen und gehen. Das heisst meiner Meinung nach nicht, dass man sang- und klanglos verschwindet. Aber es bedeutet, dass man loslassen kann und sich auch mal zurücklehnt. Das Forum - das sind die User, die es nutzen. Und die sind so unterschiedlich, wie wir Menschen eben mal sind. Deshalb wird die Stimmung im Forum auch immer mal wieder anders sein und nicht immer fühlt man sich dann wohl. Na und? Das ist doch da draußen auch nicht anders. Auch da gibt es Nachbarn, mit denen ich gerne und ausgiebig im Treppenhaus plaudere, andere grüße ich freundlich, käme aber nie auf die Idee, mich mit ihnen über mehr als das Wetter zu unterhalten und wieder anderen gehe ich einfach aus dem Weg.


    Ich glaube, es ist wichtig, im Leben Schwerpunkte zu setzen. Mein Lebensmittelpunkt ist heute nicht mehr der Tod meines Mannes. Und das ist gut so. Es ist ein Teil meiner Lebenserfahrung, ein Geschehnis, dass mich wie kaum etwas anderes bewegt hat und dazu beigetragen hat, dass ich heute so bin, wie ich bin. Aber ich habe es verarbeitet, oder besser gesagt, ich habe es ein mein Leben eingeordnet, es hat den Stellenwert, der ihm zusteht, aber es dominiert mich nicht mehr. Und so hat auch das Forum eben heute einen ganz anderen Stellenwert, als noch vor ein paar Jahren und erst recht, als zu Anfang meiner Trauerzeit.


    Es kommt wohl auch darauf an, wie man selbst mit der Trauer anderer Menschen umgehen kann. Ich wurde oft gefragt, ob es mich nicht selbst wieder runter zieht und belastet, wenn ich immer und immer wieder mit dem Thema Tod und Trauer umgehe. Das war bei mir nie so, aber ich kann gut verstehen, wenn andere das auch anders erleben und irgendwann für sich einen Schlussstrich ziehen möchten.


    Dass man in eine Abhängigkeit gerät, das hat mit dem Trauerforum als solches meiner Meinung nach nichts zu tun. Aber es gibt sicher Menschen, die generell gefährdet sind, abhängig vom Internet zu werden. So lange man aber auch im normalen Leben offen ist, ein Forum und die Menschen, die man dort mehr oder weniger gut kennen lernt eben als sowas wie früher eine Brieffreundschaft betrachtet und nicht als Lebensmittelpunkt, so lange besteht sicher keine Gefahr.


    Herzliche Grüße und entspannte Feiertage
    Beauty

  • Liebe Frieda,


    ich kann dich nur zu gut verstehen, denn mir geht es ähnlich.
    Auch ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, jeden Tag hier zu sein, auch wenn ich kaum noch schreibe,
    Nur sehe ich das nicht als ein gravierendes Problem, denn diese 'Sucht' - wenn es denn überhaupt eine ist - wird allmählich schwächer, und im Grunde finde ich sie auch legitim, denn sie gleicht ein wenig dieses fehlende selbstverständliche, tagtägliche Feedback aus, das ich so viele Jahre mit meiner Anna hatte.


    Denn auch hier gibt es einen Austausch und ein wenig Verbundenheit mit Menschen, die nachvollziehen können und vor allem - die es interessiert, was ich fühle oder denke oder wie es mir mit bestimmten Erlebnissen geht. Das ist zwar nicht das Gleiche wie 'früher', aber doch ähnlich.


    Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis ich merkte, dass ich dieses Forum nicht mehr unbedingt brauche, um meine Gedanken und Gefühle über den Verlust meines liebsten Menschen zu sortieren und durch das Lesen und Schreiben zu verarbeiten. Und es hat über zwei Jahre gedauert, bis ich glauben konnte, dass es für andere eine Rolle spielt, ob und was ich hier schreibe.


    Nun denke ich, dass es eigentlich an der Zeit wäre, von dem was ich hier bekommen habe, etwas zurück oder, besser gesagt. weiterzugeben. Und stelle fest, dass es mir oft an Anknüpfungspunkten fehlt, dass die Stille die sich hier ausgebreitet hat, es auch nicht gerade einfacher macht.


    Das macht aber überhaupt nichts, denn ich weiß ja inzwischen, dass die Zeit meine gute Freundin ist.
    Und weil ich ein geduldiger Mensch bin, werde ich bleiben.
    Oder wie fast von selbst irgendwann gehen.


    Ich wünsche euch allen ein schönes Osterfest, Tage, die uns sagen, dass es immer Neues, und immer neues Leben gibt.

    ..........

    And if you don't know where you're going

    Any road will take you there

  • Liebe Frieda,


    Rolf hat es, wie immer, so etwas von treffend beschrieben.
    Ich kann mich dem nur anschließen.


    Wenn es sich für Dich gut anfühlt, dass Du tagtäglich im Forum
    liest und schreibst, dann ist es für Dich richtig.
    Wenn Du jedoch das Gefühl verspürst, dass Du Dich dabei
    nicht mehr wirklich wohl fühlst, dann versuche zu pausieren.


    Ich lese abends, wenn ich nach Hause komme, lediglich die Beiträge,
    die mich persönlich ansprechen. Tagsüber bin ich im Büro
    - ohne Internetanschluss - ja, auch das gibt es noch. Somit
    verbringe ich verhältnismäßig wenig Zeit im Internet.
    Ich freue mich auch, wenn ich ab und an mal einen Beitrag
    von Mitgliedern lesen kann, die sich zum gleichen Zeitpunkt
    wie ich, im Forum angemeldet haben. Es besteht ganz einfach
    durch die gemeinsam gemachten Erfahrungen ein kleines Stück
    Verbundenheit.


    @ Rolf
    man kann beim Lesen Deiner Beiträge fühlen, dass Du in Dir ruhst und
    ein sehr geduldiger Mensch bist. Beneidenswert
    :thumbup:
    Geduld ist leider nicht eine meiner Stärken und wird es auch
    nie werden.


    Ich wünsche allen schöne, geruhsame Osterfeiertage.


    Ganz liebe Grüße Regine

    Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung.
    Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.
    Man trägt die Erinnerung wie ein kostbares Geschenk in sich.
    Spatzerl, ich liebe Dich unendlich und vergesse Dich nie.

    Einmal editiert, zuletzt von agadir ()

  • Ihr Lieben @Jenny29 , @Beauty , @stiller , @agadir ,


    danke für eure lieben und interessanten Beiträge.


    Nun - sehr geduldig bin ich meistens nicht, leider. Es würde mir gut stehen. Ich bin eher impulsiv, was alles auch nicht leichter macht. Aber ich muss ja mit mir klar kommen und deshalb drehe und wende ich mich, wenn es ungemütlich oder unangenehm wird.


    Sicher, neue Schwerpunkte in meinem Leben setzen ... das liest sich so schön ... und es ist völlig richtig und das werde ich auch tun, früher oder später. Es tut gut zu lesen, wie es bei dir war mit dem immer wieder mit anderer Einstellung, einem gesunden Abstand, Ins-Forum-zurückkommen, liebe Beauty. Das gefällt mir gut. Schließlich bin ich nicht mit dem Forum verheiratet und selbst in einer guten Ehe tut (gesunder) Abstand von Zeit zu Zeit sehr gut.


    In diesem Sinne
    wünsche ich euch schöne Ostertage!


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Ihr Lieben,


    tja ich bin ein Mensch, der sich sehr an schnell an Vieles gewöhnt. Und das ist die Crux. Auch an das Leben mit meinem Allerliebsten habe ich mich nur zu gerne gewöhnt. Ich hätte ewig mit ihm zusammenbleiben wollen und können. So hänge ich an den Dingen und vor allem an den Menschen.


    Aber anscheinend gilt der Satz von Hermann Hesse immer wieder: " ... Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde ...".
    Das ist wohl eine meiner schwersten Lektionen. Die Trauer lehrt uns das: die Seele gesundet nicht, weil ihr etwas oder jemand fehlt, sondern weil sie eine Stufe weiter gekommen ist auf ihrem Weg in die Unendlichkeit ("... des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...").


    Ich wünsche mir und euch, dass wir Stufe um Stufe weiterkommen auf unserem Weg.


    AL Frieda


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    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Liebe Frieda!


    An das Gute gewöhnt man sich schnell! Es ist so schön wenn neben einem jemand ist der uns Sicherheit gibt, mit dem man zusammen Lachen kann , und mit dem man Schweigen kann!


    Und nun fehlt uns all das! Das hier in Worte zu fassen , unseren Schmerz, unsere Gefühle, Gedanken.. kann uns sehr helfen es zu sortieren und dadurch zu verstehen.
    Durch deine Beiträge fühle ich mich verstanden, bestätigt. Sie geben Hoffnung und oft auch Anregung zu Gedanken die mir helfen mich besser zu verstehen. Und solange es dir gugtut hier zu schreiben, es dir hilft dich selber zu sortieren...solange schreib doch bitte weiter...so wie es dir guttut, wie du meinst das es dir weiterhilft die Stufen deiner Trauer zu bewältigen.


    LG Sorina

    Alles verändert sich, mit dem der neben einem ist oder neben einem fehlt.
    In meiner Trauer wohnt die Liebe

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