Guten Morgen!
Nachdem es die letzte Zeit ziemlich ruhig war (der Alltag hat sich ein wenig eingependelt) hatten wir nun das nächste einschneidende Erlebnis. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Schwiegermutter haben mein Mann und ich uns gestritten. So richtig gestritten. Hässlich und laut. Der Streit stand in keinem Zusammenhang zum Trauerfall, weder direkt noch unterschwellig. Ganz anderes Thema.
Seit dem Todesfall vor acht Wochen habe ich jegliche Konfrontation vermieden. Viele Kleinigkeiten, die ich sonst angesprochen hätte, runtergeschluckt. Stillschweigend die komplette Hausarbeit und sonstige organisatorische Aufgaben (hinsichtlich unseres Lebens, hinsichtlich des Trauerfalls haben er und sein Bruder sich um das meiste gekümmert, da hab ich nur zum Teil geholfen) übernommen, meine Termine um seine rumorganisiert, um zu Hause zu sein, wenn er da ist. Er konnte sich nur auf seine Arbeit und auf sich konzentrieren, alles andere hab ich gemacht.
Jetzt kam der Streit. Dieser hatte auch nichts mit Vorwürfen darüber zu tun, dass ich alles gemacht hat. Es ging darum, dass ich die Freundschaft mit meiner besten Freundin in Frage gestellt hab (durch Auseinanderentwickeln von Interessen) und sich daraus eine Grundsatzdiskussion entspann, die zu einem Streit ausartete.
Nun glaube ich, dass dieser Streit (auch durch die Lautstärke) bei ihm diverse emotionale Blockaden gelöst hat. Er ist seit dem Streit eher in sich gekehrt, offenkundig traurig und es machen sich erste Schlafstörungen bemerkbar.
Mache mir zum einen Vorwürfe, dass ich ihn durch den Streit in seinem Trauerprozess ein ganzes Stück zurückgeworfen habe.
Andererseits - und das ist das größte Problem, fährt er morgen für eine Woche als Betreuungslehrer bei einem Schüleraustausch mit. Insgesamt mit ihm vier Kollegen. Wenn es ihm dort schlechter geht, ist eigentlich keiner da, um ihm emotionalen Rückhalt zu geben. Ich finde es bis hin zu unverantwortlich, dass er in seiner momentanen Verfassung dort mitfährt - wer weiß, ob er seiner Aufsichtsfunktion in dieser Situation gerecht wird. In seiner bisherigen Verfassung hätte ich gesagt ja ok, passt (wobei es für ihn immer außer Frage stand, ob er mitfährt, der Austausch war lang geplant, den hätte er nicht ausfallen lassen), aber jetzt in dem neuen Zustand...
Wenn ich ihn drauf ansprechen würde, würde er es abtun, sagen, ich seh Gespenster.
Bin drauf und dran, eine der Kolleginnen anzurufen und ihr die veränderte Situation mitzuteilen. Bin ja selbst Lehrerin, kenne die physischen und psychischen Belastungen einer Klassenfahrt und denke auch an die Kids und an seine Verantwortung ihnen gegenüber. Aber kann ich ihn so bevormunden? Oder geht da Risikoabwendung vor Bevormundung?
Habt ihr nen Rat für mich? Und wie steht ihr allgemein zum Streiten/Diskutieren mit Trauernden?