Das menschliche Gehirn

  • ist ja schon ein bemerkenswertes Organ. Es hat die hervorragende Eigenschaft, schwere böse Dinge abzurunden, zu mildern und sogar zu vergessen.
    Mir fällt als "Wiederholungsdulder " auf, dass ich im Laufe der beinahe neun Jahre nach dem Tod meines Mannes verschiedene Leidenszustände gar nicht mehr so präsent hatte. Nun brechen sie mit dem Tod des Lebensgefährten heftig wieder über mich herein. Und ich kann nur sagen: jawohl das war in 2007 auch so.


    Das eine ist eine große Empfindlichkeit. Gegen Worte, gegen aktuelle angstmachende Ereignisse, gegen Übersehenwerden.......Ein winziges Ding löst eine Lawine von Gefühlen aus.


    Ganz unangenehm empfand ich damals (und nun fängt das auch schon wieder an) die Konzentrationsstörungen und eine üble Vergesslichkeit.


    Eine widerliche Erschöpfung bei gleichzeitigem "Aufgedrehtsein".


    Heißhunger auf komischste, z.T. noch nicht einmal verträgliche Speisen.


    Kann man das eigentlich irgendwie beeinflussen? Ich kann mir kaum ein zweites Mal leisten, mich aus manchen Aufgaben zurückzuziehen weil ich hypersensibel reagiere oder müde bin.


    Hat jemand Strategien?

  • Puh schwierig.
    Ich kann das alles unterschreiben, trifft auch auf mich zu.
    Diese üble Vergesslichkeit, ich hab schon gedacht, jetzt kriegste Alzheimer, also bei mir hängen überall kleine Klebezettelchen und komischerweise
    was ich da drauf notiert hab, vergess ich nicht wieder.
    Ich guck bestimmt dreimal am Tag auf den Kalender um nicht zu vergessen den Müll rauszustellen, dabei wird er in schöner Regelmäßigkeit jeden zweiten Donnerstag geholt.
    Heißhunger hatte ich auch, nach Schokoladenpudding, den esse ich normalerweise nicht, ich kauf ihn einfach nicht mehr ein, Problem gelöst? Nein der Hunger drauf ist geblieben.
    Also so wirklich hab ich auch keinen Plan, bin aber mal gespannt, was die anderen dazu schreiben.


    Liebe Grüße Heike

    Es ist kühl. Dein Lächeln strahlt nicht mehr.
    Was bleibt mir? Die Wärme deiner Liebe.
    Die Hoffnung auf dich. Später!

  • Hallo zusammen,
    also ich habe weder Heißhunger noch bin ich aufgedreht. Das einzige was ich habe sind Konzentrationsschwierigkeiten und gegen die Vergesslichkeit schreibe ich mir auch zur Zeit immer alles in meinen Kalender. Nur sollte ich da auch ab und zu mal reinschauen und es nicht vergessen.
    Ob man es irgendwie beeinflussen kann? Ich glaube in unserem jetzigen Zustand der Trauer ist es schwer möglich. Wir müssen an viele Dinge gleichzeitig denken, aber leider ist da immer wieder dieser eine Gedanke an den liebsten Menschen den man verloren hat. Es gibt Tage wo es uns nicht so gut geht, aber dann gibt es auch wieder Tage da kommen wir ganz gut zurecht und wir können den Alltag meistern. Es gibt natürlich Aufgaben im Leben denen wir uns stellen müssen, ob wir wollen oder nicht. Aber ich denke, dass es wichtig ist den Menschen zu erklären, warum man vielleicht in einer Situation hypersensibel reagiert oder müde ist. Ob sie es verstehen können oder nicht, hängt von jedem einzelnen selber ab. Es hängt natürlich auch von der Aufgabe ab, der man sich stellen muss. Auch wenn in der heutigen Zeit viele das Thema ´Tod´ meiden, ist es leider doch ein Thema was zu unserem Leben dazugehört. Gerade wenn man wie Du, liebe Deere, so einen Schicksalsschlag zum zweiten Mal erleben muss. Vielleicht sollte man sich bei gewissen Aufgaben Hilfe holen und sei es nur einen Ratschlag bei einer guten Freundin.
    Vielleicht solltest Du Dir nicht so viele Gedanken darüber machen, sondern jede Aufgabe Schritt für Schritt versuchen zu meistern.
    Und falls es doch nicht klappt, mach Dir keine Vorwürfe. Du bist wie Du bist und trauerst auf Deine Art, versuchst jeden einzelnen Tag zu überleben. So wie wir alle hier.
    Ich wünsche Dir viel Kraft.


    traurige Sonne

  • Liebe Deere,


    ich meine, dass du auch dieses Mal (ich fühle so sehr mit dir) nicht darum herum kommen wirst, der Trauer ihren Fluss zu lassen und die dadurch entstehenden Befindlichkeiten einfach nur zu akzeptieren. Was denn sonst?!


    Seelischer Schmerz ist weit tiefgehender als körperlicher Schmerz. Seelischer Schmerz löst körperlichen Schmerz aus. Du wirst kein Rezept dafür finden, keine Strategie entwickeln, wie die Trauer besser aushaltbar wird. Aber du kannst eines haben, nämlich Vertrauen dahin, dass es zuerst unterschwellig, dann richtig spürbar besser werden wird. Mit jedem "So-ist-es-jetzt", also mit dem Annehmen des Verlustes, dem Aushalten des Schmerzes, wird es etwas leichter und mit der Zeit auch wieder lebendiger um dich herum.


    Alles Liebe Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • liebe Deere,


    ich glaube auch nicht, dass es eine strategie dafür gibt, beim zweiten mal schneller und besser durch die trauer zu kommen. ich glaube auch, dass das gehirn viele sachen einfach ausblendet, damit es kapazitäten für die trauer hat und dagegen ist man wahrscheinlich machtlos. da hilft wahrscheinlich wirklich nur zettel schreiben, stimmungen zulassen und das ganze programm. dass es irgendwann besser wird, hast du am eigen leibe erfahren. ich wünsche dir geduld mit dir selbst und alles liebe.


    lieben gruß lucie

    Erinnerungen sind kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten


    Die Erinnerung ist ein Fenster, durch das wir dich jederzeit sehen können

  • Wann ist denn dein Lebensgefährte gestorben? Mein Freund ist im März gestorben und ich muss sagen mir ging es genauso. Ich war sehr empfindlich gegenüber Freunden....Äußerungen..sogar Erinnerungen an ihn haben tausende von Fragen ausgelöst. Ich konnte mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren...das ist auch erst jetzt etwas besser geworden und zwar nach einem Tapetenwechsel. Ich war zwei Wochen im Urlaub und dort konnte ich etwas abschalten. Denn dort gab es keine Erinnerung an ihn...nichts was ich mit ihm verbinde. Probier das einfach. LG Anja

  • Ganz unangenehm empfand ich damals (und nun fängt das auch schon wieder an) die Konzentrationsstörungen und eine üble Vergesslichkeit.


    Hatte und habe ich auch noch immer, ich dachte schon dass es nur bei mir so ist.

    Eine widerliche Erschöpfung bei gleichzeitigem "Aufgedrehtsein".


    Bei mir ist es nur Erschöpfung bzw. Antriebslosigkeit.

  • Liebe Deere


    Ein "Geheimrezept" habe auch ich leider nicht. Dafür ist meine Trauer noch zu frisch. Kann dein Gefühlsleben aber teilen.
    Diese üblen Konzentrationsstörungen habe ich auch. Mittlerweile so schlimm, dass ich selbst Dinge vergesse die auf dem Zettel stehen oder mit dem Auto woanders hinfahre als gewollt. Auch beim lernen schweifen die Gedanken immer ab und ich habe das Gefühl kaum etwas aufzunehmen.


    Empfindlich reagiere ich in vielen Situationen ebenfalls. Am schlimmsten wenn mein Gegenüber weint oder ständig von meinem Mann redet. Oft kann ich dann meine Tränen nicht zurückhalten und das obwohl ich sonst solche Gefühle nie vor anderen zugelassen hätte (und schon gar nicht vor fast Fremden).


    Ich glaube, dass uns mit diesen Reaktionen gezeigt wird in welchem Ausnahmezustand wir uns befinden und jeder für sich eine eigene Strategie finden muss damit zurecht zu kommen.
    Mir hilft es z.B. solche Menschen, dir mir im Moment nicht gut tun zu meiden oder nur in
    mein Leben zu lassen wenn ich selbst bereit dazu bin.
    Konzentration versuche ich zu üben, denn die kommt mit täglicher Übung schnell zurück.


    Liebe Grüße Dina

  • Ganz schön interessant, selbst um diese Uhrzeit, vielelicht auch gerade deswege,


    Das mit der Konzentration das kenne ich nur zu gut.
    Irgendwann war auch ich wieder in der Lage aus nur tun, alles aufschreiben, abarbeiten wieder denken, planen und so.
    Das schlimmste und das ist geblieben, ist noch immer meine Namenskatatrophe, Namen und HGEschichten den Menschen zuordnen, zu behalten was ich gelesen habe.
    Private Gespräche aber, live, mit Blick in die Augen, die habe ich.


    Ein Rezept, es gibt vieleicht eines, irgendwie, istz ja das Hirn in der Lage zu lernen, sich manipulieren lassen.
    Die Seele aber, da ist wohl die Seele im Weg, das Gefühlsleben, wenn man nicht in Källte erstarrt.


    Was ich für mich aber sagen kann, jeder Verlust hat das seine, Gewöhnung darin, kann ich wohl für mich ausschließen.
    Und doch ist mir, bei mir aufgefallen, ich gehe mit jedem neuen Verlust, erst zurück, voll rein auch, in die alte Trauer, es kommt so viel zurück, vermischt sich und ein Gefühl von, nun is Schluss, kann nicht mehr, will nicht mehr.


    Und dann, dann findet mein Hirn die Überhand, neben all den Gefühlen, ich denke ich akzeptiere schneller, ich habe wohl so etwas wie Realität im Thema Trauer gefunden.
    Der Tod ist ständiger begleiter geworden, er hat mir seine Stärke gezeigt und ich versuche das auch im täglichen Allerlei nie ganz zu vergessen.


    In meinen Veränderungen in all den Jahren nun, bin ich wohl noch viel achtsamer geworden.
    Im Umgang mit den Menschen, ich weiß ja nie, was morgen passieren kann.
    Nicht, das ich auch heute in Angst lebe, ständig im Gedankne, morgen wird es wieder passieren, das war nur der Anfang vom Elend meines Lebenses.
    Ich weiß es nicht zu erklähren, sicher ist auch, dass der nächste Verlust, mich wieder zurück zieht.


    Ich bin nicht mehr so unvorbereitet, ob ich das so sagen darf, ich weiß es nicht mal, es ist schwierig.
    Annehmen aber, ich aknn besser annehmen, darin liegt ein ganzes Stück Wahrheit.
    Die Seele die vieleicht einfach weiß, nicht mehr so lange braucht, gegen den wahnsinns Schmerz ankämpfen.


    Heute kann ich auch wieder etwas näher mit den Menschen, nicht mehr diese Angst, wieder zu verlieren, wieder diese Traurigkeit die Angst daran zugrunde zu gehen.
    Ich habe da eine Dankbarkeit in mir die immer stärker wird.
    Dankabrkeit für die schönen Tage, die kleinen Dinge, jedes Zusammensein mit lieben Menschen.


    Ich bin weiter in meiner Arbeit, ich weiß das und einges kann von frscih Trauernden nicht, noch nicht, vieleicht auch nie verstanden werden, so wird das auch gut sein.
    Jeder geht seine Weg und egal was andere erzählen, jeder kann nur so, wie es in ihm ist.


    Die Trauer lernen, ich weiß nicht, empfinden aber, jeder empfindet seine Trauer und je weiter er in seiner Trauer ist, kann er wohl aus vielen Empfindungen aus eigenem erleben erzählen.


    Mit einer lieben Umärmelung,
    Funny.

  • Wann ist denn dein Lebensgefährte gestorben? Mein Freund ist im März gestorben und ich muss sagen mir ging es genauso. Ich war sehr empfindlich gegenüber Freunden....Äußerungen..sogar Erinnerungen an ihn haben tausende von Fragen ausgelöst. Ich konnte mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren...das ist auch erst jetzt etwas besser geworden und zwar nach einem Tapetenwechsel. Ich war zwei Wochen im Urlaub und dort konnte ich etwas abschalten. Denn dort gab es keine Erinnerung an ihn...nichts was ich mit ihm verbinde. Probier das einfach. LG Anja


    Mein Lebensgefährte starb Anfang Juni. Das mit dem Tapetenwechsel kann ich ersteinmal vergessen. Hier läuft noch eine große Baustelle, es sind Tiere zu versorgen und gewisser Behörden und Anwaltskram muß auch noch überstanden werden.

  • Ja das verstehe ich dass du dazu momentan keine Zeit hast. Ich habe nur gemerkt dass es mir gut tat. Thomas hat auch zwei Hunde hinterlassen...große... Eine Schäferhündin und eine alte Dogge. Da ich selbst einen Setter habe ging es nicht dass ich alle behalte. Sie sind gut untergebracht und Weisst du was mir hilft? Ich habe viele kleine Zeichen erhalten, dass da noch etwas ist nach dem Tod. Ich weiß nicht ob du daran glaubst, ich habe es früher nicht getan aber nun weiß ich dass es so ist. Ich lese Bücher zu diesem Thema und das hilft mir den Verlust zu verarbeiten.

  • Eine Strategie zum Trauern...ich denke das es soetwas nicht gibt! Jeder Trauerfall ist anders...trifft mich in einer anderen Lebenssituation. Die ersten Tage sind erfüllt vom Tun...so vieles muss erledigt werden...organisiert werden. Auch habe ich bemerkt das am Anfang viele etwas vorsichtiger mit mir.. einem umgehen...aber das ändert sich ganz schnell wieder.
    Und dann kommt der Alltag...und das Leben will weitergelebt werden..nun muss ich sehen wie ich damit klar komme.
    Als die Eltern gestorben sind war der Partner, die Kinder als Halt da. Auch als Geschwister starben war meine Familie mein Halt... ich fühlte mich gehalten und verstanden. Es ist so schwer zu verstehen das die Menschen einfach nicht mehr da sind....die Gedanken fliegen häufig zu ihnen...wir reden über die Verstorbenen...und lächeln über unsere Gedanken...lassen Tränen fließen...all das erleichtert sehr.


    Aber jetzt bin ich allein...ohne meinen Mann fühl ich mich verloren...ohne Halt. Die Kinder haben ihre eigene Familie...und der Alltag ist da...das Leben will weitergelebt werden...aber ich weiß nicht so genau wie das gehen soll. Mein Gehirn sagt: einfach weitermachen, arbeiten, nicht nachdenken...es ist so wie es ist und es geht weiter!
    Vielleicht ist das auch eine Strategie...aber sie gelingt mir selten.
    Auch bei mir eine große Vergesslichkeit...Klebezettel überall...die Trauer nimmt diesen Platz in Anspruch...aber es gibt genug Zettel....
    In den Urlaub fahren...das geht gar nicht! ich bin so froh wenn ich in meinen vier Wänden bin..viele fremde Menschen machen mir Angst.
    Noch schlimmer finde ich gut gemeinte Ratschläge...von Menschen die noch nie einen nahen Menschen verloren haben....da stell ich die Ohren auf Durchzug...oder sage das ich nicht reden möchte und geh.


    Also versuch ich meinen Weg zu finden....mein Leben zu leben ...so gut es eben geht. Und hoffe darauf das alles einen Sinn hat... das unsere Wege vorbestimmt sind ..in gewisser Weise..und wir lernen müssen dieses zu akzeptiert....
    Es ist so wie es ist...


    LG Sorina

    Alles verändert sich, mit dem der neben einem ist oder neben einem fehlt.
    In meiner Trauer wohnt die Liebe

  • Nun, so ist es!


    Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Und spätestens dann beginnt ein Nachdenken, warum das denn alles so ist wie es ist. (Mir ist bewusst, dass es auch Menschen gibt, denen es nicht so geht, die dann pur verzweifeln und auch nachsterben, allein weil der lebenslange Partner nicht mehr körperlich da ist.)


    Bei mir war auch der Wunsch nach dem Nachsterben ganz am Anfang da. Nun, eher war dieser Wunsch eine Art Nachreisen. Aber ich habe sehr schnell erfasst, dass das nicht möglich sein kann. Und nun ging es darum, sich zu fügen. Das war unendlich schwer.


    Und in diesem Sich-fügen liegt wirklich die Lösung. <3


    Ich wünsche dir in dieser Richtung ganz viel Klarheit und Entspanntheit.


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

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