Hallo an alle Trauernden,
möchte mich zunächst vorstellen.
Habe Mitte Februar meinen Sohn verloren durch Krebs. Ein halbes Jahr nach Erstdiagnose "ging" er und hinterlässt eine Frau, ein kleines Kind, einen Bruder, einen Vater und eine Mutter (mich).
Seine letzten Tage im Hospiz ließen mich über mich hinauswachsen. Abwechselnd mit meiner Schwiegertochter wachte ich Tag und Nacht an seinem Bett. Als meine Schwiegertochter mal wieder dran war, tat er seinen letzten Atemzug. Ich erfuhr es im Auto, wollte gerade wegfahren vom Hospiz. Und schrie mehrmals so laut wie noch nie in meinem Leben. Noch eine Woche später war ich heiser davon.
Die darauf folgenden Tage setzte eine Art Verdrängung ein: "Es wird schon alles gut sein, so wie es ist, und sicher ist seine Seele noch da, schwebt über uns und wundert sich, warum wir so traurig sind".
Vor vier Tagen war die Beerdigung, und seitdem geht es mir so richtig schlecht. Nicht dass es vorher gut gewesen wäre, aber wenigstens erträglich.
Dann habe ich, zusammen mit meiner lieben Freundin, eine riesige Palette von Selbstvorwürfen ("hätte, könnte, würde") abgearbeitet mit der Erkenntnis:
Das ist sinnlos, es ist, wie es ist, ich habe mein Bestes getan, um ihm zu helfen, sofern man einem erwachsenen Sohn überhaupt helfen kann, denn er hat ja seinen eigenen Willen. Als Mutter muss man da vorsichtig sein, zumal ungebetene Ratschläge ja auch Schläge sind.
Ärger über die Klinik: Nach der Erstdiagnose musste meine Sohn zweieinhalb Monate auf Therapiebeginn warten, in der Zeit wuchs der Tumor natürlich rasant weiter und streute fleißig. Aber mein Sohn hätte auch eine Zweitmeinung einholen können, hat er halt nicht gemacht. Er hat sich Woche für Woche vertrösten lassen, weil Befunde verschusselt wurden und nicht rechtzeitig vom Labor zurückgeschickt wurden, und noch 'ne Woche warten, und noch 'ne Woche usw., eine nach der anderen. Normalerweise fängt eine Therapie spätestens so ca. 2 bis 3 Wochen nach Erstdiagnose an, habe ich hier und da erfahren. Also zweieinhalb Monate auf Hilfe warten: dumm gelaufen.
Das war aber seine Entscheidung, er ist erwachsen. Ich konnte allenfalls Vorschläge machen (andere Klinik, Zweitmeinung), die aber nicht erhört wurden.
Also Selbstvorwürfe streichen, Vorwürfe an die Klinik streichen. Jeder ist seines Glückes Schmied, sobald er erwachsen ist, und man kann niemandem reinreden.
Was blieb übrig nach dieser Erkenntnis, und vor allem - nach der Beerdigung vor vier Tagen: - Ein RIESIGER Schmerz! - Und blankes Entsetzen, dass dieser wundervolle Mensch, mein Sohn, nicht mehr hier auf Erden wandelt, dass ich ihn nicht mehr sehen kann, nicht mehr mit ihm reden, seine Anwesenheit genießen, ein Bierchen mit ihm trinken, ihn einfach erleben. Es ist einfach unfassbar, kann doch nicht sein!
Ein Kind zu verlieren, auch wenn es schon erwachsen ist, sehe ich in meiner Rolle als Mutter als "Höchststrafe" an. Ich wäre doch zuerst dran gewesen! - Aber so ist die Welt nicht. Die Natur ist grausam und nimmt keine Rücksicht auf Einzelschicksale.
Der Schmerz lähmt mich, ich kann nicht arbeiten, nicht aufräumen, den Haushalt nicht machen. Das Essen schmeckt mir nicht und liegt schwer im Magen, auch am nächsten Tag noch. Nur eines klappt zum Glück: Das Schlafen. Aber mit Alpträumen.
Medikamente will ich nicht nehmen. Ich will nichts verschleppen, unterdrücken, sondern es lieber ertragen. Erstens, weil es seiner würdig ist. Ich vermisse diesen ganz besonderen Menschen nun mal. Habe aber auch Angst davor, dass es chronisch wird. Dann lieber gleich richtig intensiv trauern. Mit der Hoffnung, dass es vielleicht doch mal besser wird und ich an einer dauerhaften Depression vorbei komme.
Aber es ist kein Ponyhof, sondern im Moment eher eine Art Hölle. Wenn ich ein Buch lese oder ein YouTube schaue, kann ich mich kurz ablenken. Aber danach schlägt der Schmerz wieder mit Wucht zu. Das Herz tut so weh.
Mich würden Erfahrungen von Trauernden interessieren, die schon ein Stück des Weges gegangen sind. Gibt es eine Hoffnung auf Besserung? Was kann man tun, wenn man es so gar nicht mehr aushält? Gibt es einen mentalen Notfallkoffer für schwierige Situationen?
Liebe Grüße an alle
E-v-a