wo sind die "alten Hasen"?

  • Ihr Lieben,


    dieses Forum ist mir seit zwei Jahren eine übergroße Hilfe im Überleben dieser furchtbaren Situation. Mein allerliebster Mensch ist "einfach so" gestorben.


    Durch dieses Forum habe ich wieder Hoffnung geschöpft.


    Wo sind aber jetzt die Leute, denen ich das alles verdanke?


    Und wie geht es euch heute?


    So nach 2 oder 3 Jahren oder noch mehr Jahren?!


    Hier im Forum sind derzeit natürlich viele neue Menschen mit ganz schlimmen Trauerfällen.


    Aber auch sie würden sicher gern lesen, wie es euch heute so ergeht.


    Vielleicht habt ihr ja Lust, was dazu zu schreiben. Das wäre sehr schön. :)


    AL Frieda


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Frieda, eben war mir so danach. Hat allerdings gedauert, bis ich wieder "rein" kam. Liegt aber an meiner alten Brille. -
    Ich komme mit dem Verlust immer noch nicht klar. Da kann ich mich drehen und wenden, wie ich will. Mein Leben beeinflusst das extrem.
    Ich bekomme es nicht hin, das Geschehene zu akzeptieren.
    Manchen mögen soziale Kontakte (sei es durch Familie, Freunde, Bekannte, Beruf, Hobby, Tier ...) geholfen haben und helfen, aber ich bin da allein "auf weiter Strecke".
    Erinnern kann ich mich sehr gut an die Zeit und den Grund, weshalb ich hier ins Forum kam. Für mich war es fast eine Erlösung. Das klingt jetzt übertrieben, aber ich sah und nahm die Möglichkeit wahr und das war gut so. - Denke, ich bräuchte weiterhin eure Hilfe und Unterstützung.


    Liebe Grüße
    Frauke

  • Liebe Frauke,


    danke für deinen Beitrag, der - wie ich finde - sehr sehr ehrlich ist.


    Genau das wollte ich ansprechen: wie ergeht es euch jetzt?


    Nach all den Jahren?


    Habt ihr mit eurem Verlsut noch zu kämpfen?


    Habt ihr Frieden schließen können?


    Wie habt ihr das geschafft?


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • ...lange habe ich mich gefragt, ob ich mich eigentlich angesprochen fühlen soll.


    Ich könnte mir ja sagen, na klar bin ich ein alter Hase nach nun ziemlich genau zweieinhalb Jahren.
    Nur - es fühlt sich nicht so an. (Was sind schon 2 1/2 Jahre)
    Auch wenn sich seit den ersten Wochen und Monaten, in der langen Zeit seit dem Tag X einiges verändert hat an der Art wie ich die Trauer über den Verlust meiner Liebsten und Gefährtin erlebe, so ist es im Grunde nicht wirklich anders geworden.
    Ich bin zwar nicht mehr betäubt und ferngesteuert, so total neben mir - aber dennoch an jedem Tag, in jeder Stunde, mit meinen Gedanken bei ihr.
    Kann selbst innerhalb eines Tages mehrfach oder auch tagelang am Stück auf der Achterbahn landen, weiß zwar, dass es kein Zurück und keine zweite Chance oder einen zweiten Durchgang gibt, erinnere mich oft voller Dankbarkeit an so viel Schönes und hadere gleichzeitig mit all dem was ich versäumt oder nicht getan habe, aber klar ist - es hört einfach nicht auf.


    Gelernt habe ich, dass das wohl der Normalzustand ist.


    Das ist auch der Grund warum es mir immer schwerer fällt, hier etwas zu schreiben, auch in meinem Tagebuch zu schreiben. Denn ich kann nur das immer Gleiche in immer anderen Nuancen oder Verkleidungen beschreiben, könnte ohne Ende Musikstücke posten, die mir wegen ihrer Stimmung oder ihres Textes etwas bedeuten, weil sie eine Verbindung herstellen zu meinen Gefühlen, oder könnte beschreiben wie ich versuche mich im Jetzt zu verankern, indem ich mir anschaue wie sich Gräser im Wind bewegen oder wie einzigartig eine besonders schöne Wolke am Himmel aussah.
    Aber egal was es ist und wie ich es anstelle, es sind alles nur Wiederholungen. Nur immer neue Versuche zu verstehen und damit umzugehen, dass es so ist wie es ist. Und vor allem - es ändert nichts, es spielt keine Rolle.


    Und wenn ich das bis hier Geschriebene lese, dann frage ich mich gleichzeitig, ob das nicht eine ziemlich entmutigende, negative Erkenntnis ist für diejenigen, die erst seit wenigen Wochen oder Monaten hier sind.
    Aber andererseits denke ich oft, dass genau das das Positive ist: zu wissen, dass es ist wie es ist, und zu wissen dass man, wenn man zweieinhalb Jahre damit über die Runden kommt, es sich wohl um eine Art handelt, mit dem zu leben was man für unlebbar gehalten hat, auch wenn es sich im einzelnen Moment oft nicht so anfühlt.
    Das Schöne an den Momenten ist ja, dass sie in dem Augenblick in dem sie da sind auch schon wieder vorbei sind. Und wenn ich zwischendurch vollkommen übermütig werde, denke ich manchmal, dass dieses über die Rundenkommen noch verbesserungs - und entwicklungsfähig sein könnte.
    Möglicherweise sogar so eine Art Leben.
    Unbekannt, ungewünscht, nie so ausgedacht oder geplant und seltsam fremd.
    Aber Leben.

    ..........

    And if you don't know where you're going

    Any road will take you there

  • Hallo alte Hasen!
    ich bin wohl noch keiner von Euch, aber eure ehrlichen Worte finden mich und ich glaube genau so ist es auch. Leben, weiter machen, hoffen zu akzeptieren, irgendwann..
    und schon ist wieder ein Tag geschafft..
    Ich grüsse euch
    Jenny

  • Hallo,
    ich habe lange Zeit nichts mehr geschrieben, aber oft hier gelesen. Wenn ich meine Tagebucheinträge lese, dann merke ich das sich vieles verändert hat. Es ist nicht das die Trauer und Sehnsucht vorbei ist-aber ich kann jetzt besser, etwas leichter und auch dankbare auf die Zeit mit meinem Schatz zurückblicken- die vielen Erinnerungen tun nicht mehr so weh, wie am Anfang- was für mich-als ich am Anfang meiner Trauer - davon gelesen habe unvorstellbar war-. Ich versuche zu akzeptieren, das ich das was war nicht mehr zurückholen und ändern kann- was nicht immer geht und doch will jeden Tag versuchen eine innere Ausgeglichenheit wiederzufinden.
    Ja ich bin dankbar, diese Zeit, die ich mit meinem Schatz leben durfte verbracht zu haben und das möchte ich niemals missen-es gehört zu meinem Leben, so wie es im Leben immer wieder neue Lebensabschnitte geben wird- eines habe ich gelernt es kann sich immer verändern und geht nicht so wie man es geplant hat- was mir nie so bewusst war, solange sich mein/unsrer Leben auf geraden schönen Wegen bewegte. Innerlich zur Ruhe zu kommen und ein versuchen aus seinem verbliebenen Leben noch etwas zu machen - unsere Liebsten hätten es bestimmt so gewollt, und ich spüre auch immer wieder in schwierigen Situationen mein Schatz ist bei mir, er begleitet mich, manchmal höre ich ihn auch sprechen- er wird immer bei mir sein und das gehört in meinem Leben, in dem ich jetzt bin dazu und ich will auch dieses zurückschauen nie missen- er ist an meiner Seite.
    Ich habe jemanden kennengelernt- kennengelernt villeicht der falsche Begriff- wir kannten uns vom sehen und villeicht ist es weil er wie ich in der gleichen Situation ist, , villeicht ist es Fügung (im Himmel beschlossen, auf Erden vollzogen)ich weis es nicht- aber dieser Mensch tut mir so gut.
    Er ist um einiges älter als ich und ich habe noch nie einen so einfühlsamen Menschen mit dem ich über alles ,aber auch alles reden kann wie ihn. Wir haben so viele gute, intensive Gespräche geführt und ich kann ihm alles anvertrauen er hilft mir bei vielen Sachen, wir verbringen viel Zeit mit den Hunden- er hat auch einen, ein absolut verlässlicher Freund- der in mein neues Leben getreten ist und den ich auch nie mehr missen möchte! Ein lieber Mensch, der immer für mich da ist, dem es wohl genau so ergeht wie mir- auch er hat seine Partnerin etwa zur gleichen Zeit verloren wie ich meinen Schatz.Villeicht ist es das was uns beiden gut tut, eine ist für den anderen da und umgekehrt- keiner ist allein. Dieses Alleinsein ist es das mir immer mal wieder vor Augen fährt- ja auch ich war eingeladen bei Freunden, meistens Paare und dann dieses nachhausekommen-das alleine nachhausekommen,ganz schlimm es zieht mich jedesmal wieder herunter und wenn ich dann manchmal sehe wie die Paare miteinander umgehen-sie wissen gar nicht wie schön sie es haben, das ihr Partner noch bei ihnen ist und sind doch unzufrieden- spielen mit ihrem Glück- es sind nicht alle so aber es ist niemanden so bewusst was man verlieren kann , solange man es noch hat. Ja ich bin empfindlicher geworden und ich lebe mein Leben bewusster und ich habe Angst wieder solchem Schmerz zu begegnen und doch will ich versuchen ein für mich zufriedenes Leben wieder zu finden und mein neuer Freund ist mir eine große Hilfe und ich hoffe auch ich ihm dabei- was daraus wird? ich weis es nicht- aber ich versuche nur die Dinge zu machen, die mir guttun, villeicht ist das egoistich, aber ich möchte mit einem guten Gefühl durch mein weiteres Leben gehen- ohne jemals zu vergessen!
    lg ani

  • Hallo ihr lieben,


    mit meinen 53 Jahren gehöre ich hier nun schon zu den ganz "alten" Hasen.
    Ich bin den Weg den ihr leider nun gehen müßt, lange vor Euch gegangen.
    Dieser Weg war und ist manchmal immer noch sehr steinig und schwer.
    Natürlich habe ich mich nach fast 11 Jahren mit meiner Situation arrangiert, und versuche aus allem das Beste raus zu holen.
    Mein Mann Jens ist durch einen unverschuldeten Autounfall mit 46 jahren von einer Sekunde auf die andere, mitten aus seinem Leben herrausgerissen worden.
    Dadurch haben sich bei mir extreme Verlustängste aufgebaut, die ich bis heute nicht im Griff habe.
    Diese Ängste begleiten mich noch heute,sowie jemand aus meiner Familie - sprich meine Tochter oder meine kleinen Enkelchen erkranken, beginnt in mir ein Kopfkino dem ich kaum gerecht werde.
    Sofern dann alles wieder in Ordnung ist atme ich auf , und beschwöre mir gegen über selbst, dass ich beim nächsten Fall ruhiger bleibe, was mir aber kaum gelingt.
    Mit meinem Mann bin ich innerlich immer noch sehr verbunden. Natürlich beweine ich auch heute noch oft seinen so sinnlosen Tod, doch die Zeit hat für mich gearbeitet, so das ich besser damit umgehen kann wie vor ein paar Jahren.
    Das Leben hat sich für mich verändert. Ich bin inzwischen selbstbewußter und in vielen Dingen sicherer geworden.
    Es lohnt sich diesen so beschwerlichen Kampf aufzunehmen, weil das Leben trotz Trauer noch soviel schönes zu bieten hat.
    Ihr werdet es schaffen so wie ich auch, das ihr in Eurem "Dasein" wieder Freude und Lebenslust spüren könnt.
    Ich wünsche Euch von Herzen Kraft und Geduld, möge für Euch alle hier bald wieder die Sonne scheinen.


    Lieben Gruß
    Anka

  • hallo @Frieda


    das ist mal eine tolle idee mit diesem thread. gerade jetzt wo wir so vielle neue trauernde hier im forum haben. ich hoffe es kommen noch ganz viele postings zu diesem thema. jede geschichte zeigt uns doch, wie vielfältig die trauer ist, und dass man seinen eigenen weg finden muss um sich damit zu arrangieren. aber auch, dass es möglich ist und noch so einiges im leben auf uns wartet.

    Erinnerungen sind kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten


    Die Erinnerung ist ein Fenster, durch das wir dich jederzeit sehen können

  • Ihr Lieben,


    das hoffe ich auch, dass sich noch einige von euch "alten Hasen" melden, sich einfach mal trauen zu schreiben, wie es so nach einer gewisssen Zeit ausschaut, wie es sich anfühlt.


    Wir alle sind in unserer Situation gefangen und brauchen diesen Zuspruch von euch, benötigen eure Erfahrungswerte.


    Wie sehr habe ich nach dem Tod meines Liebsten den Austausch von ebenfalls Trauernden gebraucht - und brauche diesen immernoch.


    Es scheint nicht zu enden ...


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Meine lieben...
    Ich würde mich inzwischen auch zu den alten Hasen zählen. In zwei Monaten jährt sich der schlimmste Tag meines Lebens zum dritten mal. Ich verbringe diesen Tag heuer mit meiner Freundin in New York....Mal sehen, wie sehr es mich packen wird.


    Jedoch habe ich, wie puschel es auch beschrieben hat, Verlustängste. Ich habe Angst, dass wieder etwas von einer Sekunde auf die andere alles vorbei sein könnte, so wie es bei meinem schatzi und meinem Papa passiert ist.


    Und es passierte, was ich niemals mehr geglaubt hätte...Es geht mir gut. Ich habe mein Leben wieder im Griff.... Nach langen Monaten tiefster Verzweiflung gehts wieder aufwärts.


    Wie oft war ich am Boden zerstört, wie oft wusste ich nicht mehr weiter.
    Und immer und immer wieder zusammenbrüche und Tränen. Und dann das große Verständnis hier im Forum und der Kontakt mit einigen Mitgliedern, der mir eine große Hilfe war, worüber ich sehr sehr dankbar bin.
    Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es mir mal so geht wie es mir heute geht.
    Dass ich mich noch einmal verlieben könnte.
    Es ist aber einfach passiert. Ich wurde einfach gefunden.


    Aber mein schatzi lebt immer weiter in mir. Ich spreche täglich mit ihm, seine Liebe wird mich immer begleiten. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich den Schmerz des Verlustes körperlich spüre.... Tränen laufen....Und ich ihn unendlich vermisse...
    Aber damit kann ich leben, es gehört nun zu meinem Leben.


    Die Worte der alte Hasen damals.... Geduld und Kraft....Genau das braucht man in der trauersituation....
    Und das wünsche ich allen neuen hier im Forum...

    Du schläfst mit Engeln über Dir
    Als Sternenlicht leuchten sie Dir
    begleiten Dich auf Deinem Weg...... (Kathy Kelly)


    Ohne Dich kann mir die Welt nichts mehr geben,
    ohne Dich ist sie nur halb so schön.... oder noch weniger.... <3

    Einmal editiert, zuletzt von kelly ()

  • Ihr Lieben,


    ich gehöre ja nun wohl zu den letzten von den ganz alten Hasen, die seit Beginn des Forums dabei sind, bzw. waren, denn auch ich habe ja mich nun zurück gezogen, beobachte nur noch aus einer gewissen Distanz. Zum einen natürlich, weil ich nach so langer Zeit das Forum nicht mehr für mich selbst brauche, zum anderen auch, weil sich die Beiträge, die ich schrieb ja seit 8 Jahren immer wiederholen. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich über 1.700 mal das Gefühl hatte, hier etwas schreiben zu müssen, etwas zu sagen zu haben. Und eigentlich war es noch viel öfter, denn auch ich war ja schon im Vorgängerforum, das wir so plötzlich verloren haben, aktiv.


    Wenn ich heute beschreibe, wie es mir geht, wie mein Leben so aussieht, so wird der ein oder andere von Euch, die gerade erst einen lieben Menschen verloren haben wohl entsetzt sagen: Das will ich ja gar nicht, denn ich muss ehrlich zugeben, dass die Trauer in meinem Leben überhaupt keine Rolle mehr spielt. Mein Mann, bzw. die Zeit mit ihm ist heute ein Teil meiner Biografie. Ich denke gerne an die Zeit mit ihm zurück, wäre gerne mit ihm alt, bzw. noch älter geworden, lächle wenn die Erinnerungen hochkommen, aber es tut nicht mehr weh. Und es gab durchaus eine Zeit, als ich davor direkt Angst hatte, mich nicht mehr erinnern zu können. Gleichzeitig wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass die Verzweiflung, die Angst vor der Zukunft und das Entsetzen endlich aufhören. Im Grunde wollte ich nur, dass alles wieder gut wird - natürlich mit meinem Mann und ich wusste ja doch, das wird niemals so sein.


    Ich bin ja diejenige, die hier im Forum angefangen hat, den frisch Trauernden nicht Kraft zu wünschen, denn die Kraft, jeden einzelnen Tag zu überstehen, die bekommt man an jedem Morgen und mehr ist erst mal nicht nötig. Ich habe Geduld gewünscht. Geduld mit sich selbst, Geduld mit dem eigenen Umfeld, Geduld mit den Nichttrauernden und Geduld, oder besser gesagt Vertrauen ins Leben. Die Trauer erdulden und sie nicht bekämpfen, das war mein Weg durch diese Zeit. Ja, die Zeit heilt Wunden, auch wenn Ihr das jetzt noch nicht hören wollt. Allerdings bleiben bei solch tiefen Wunden eben Narben und wer schon mal eine große Operation hatte, der weiss, dass auch Narben noch nach vielen Jahren schmerzen können, dass sie einen immer wieder an die Verletzung erinnern. Und damit muss man leben lernen.


    Es gibt in meinem Leben keinen neuen Partner und daran wird sich wohl auch nichts ändern. Ich habe auch kein Bedürfnis danach. Das Alleinsein ist für mich kein Problem und mit Anflügen von Einsamkeit kann ich umgehen. Ich denke dann immer an den Spruch: "Einsamkeit ist eine Gefängniszelle, die man nur von innen öffnen kann". Ich möchte heute nicht mehr, dass sich jemand auf mich verlassen können muss. Das hört sich vielleicht egoistisch an, aber ich habe mein ganzes Leben wie selbstverständlich Rücksicht auf andere genommen, konnte nur schwer nein sagen und als mir das Leben dann so brutal von einer Sekunde zur anderen den Boden unter den Füßen wegzog, war meine Therapie der Gedanke: Das Leben ist mir jetzt was schuldig, jetzt bin ich dran.


    Ich habe gelernt, heute Dinge ohne schlechtes Gewissen zu tun, von denen ich genau weiss, dass sie mein Mann nicht akzeptiert hätte, bzw. die ihm keine Freude gemacht hätten. Die Erinnerung an ihn ist für mich der größte Schatz in meinem Leben, aber sie ist eben Erinnerung. Leben muss ich heute und das gestalte ich mir so gut, wie es eben geht.


    Es gab noch eine Zeit, als ich hier mal schrieb, dass mir mein Mann nun näher ist, als zu seinen Lebzeiten, weil uns kein Alltag belastet. Dass ich ihn immer im Herzen trage. Wenn ich offen sein will - und nur dann hat mein Geschreibsel hier Sinn, dann muss ich sagen, auch das ist nicht mehr so. Insofern ändert sich die Gefühlswelt auch noch nach Jahren immer mal wieder. Mein Mann ist heute ein wichtiger Teil meiner Vergangenheit. Er hat mich mit geprägt, er hat so viele positive Spuren hinterlassen, also ist er nicht wirklich "weg". Und deshalb ist es für mich auch nicht wichtig, ihn irgendwann in welcher Form auch immer "wiederzusehen". Das habe ich aber auch schon ganz zu Anfang nicht erwartet. Schon gar nicht in realer Form. Mein Mantra wurde mit der Zeit: Es ist, wie es ist - und es ist gut so.


    Liebe Grüße
    Eure Beauty aus dem Hintergrund

  • Ihr Lieben,


    Beaty gehörte schon zu den "Alten", als ich damals ins Forum kam.Ich las dieses "Habt Geduld" und wollte es doch nicht hören. Konnte mir nicht vorstellen, dass es jemals wieder besser werden würde, dass diese furchtbaren Schmerzen irgendwann nachlassen. Dass das Leben eines Tages wieder einen Sinn bekommt oder gar wieder lebenswert wird- niemals.
    Und doch ist es so gekommen. Jeden Satz, den Beauty schreibt, kann ich heute mit gutem Gewissen unterschreiben. Gestern war der 4. Todestag meines Mannes und ich habe mich selbst gezwungen, mich damit auseinanderzusetzen. Und ich musste feststellen, dass da in mir tatsächlich keine Trauer mehr ist. Dass es nicht mehr wehtut, wenn ich an ihn denke. Ein Teil meiner Biografie, ja, das gefällt mir und so empfinde ich es auch. Ein Teil, für den ich sehr sehr dankbar bin und den ich mir gern noch viel länger gewünscht hätte, aber es sollte nunmal nicht sein. Er hat Spuren in mir hinterlassen und ich denke immer wieder sehr gern an die gemeinsam gelebten Jahre zurück.
    Aber man kann eben im Leben nicht immer nur rückwärts blicken. In meinem Dorf gibt es eine Frau, die hat vor vielen Jahren ihren Mann und ihren Sohn verloren. Seit über 10 Jahren (solange wohnen wir dort) kenne ich diese Frau nur in Schwarz und sehe sie täglich dreimal auf den Friedhof gehen. Sie hat überhaupt kein eigenes Leben mehr, ist für immer gefangen in ihrer Trauer. So wollte ich niemals enden, das hab ich immer gewusst. Selbst in den dunkelsten Zeiten meiner Trauer habe ich instinktiv gespürt, dass ich da wieder rauswill, dass es irgendwie weitergehen muss.
    Inzwischen geht es mir wieder richtig gut. Ich habe das Glück gehabt, noch einmal einen Menschen zu treffen, der mir guttut und mit dem ich meinen Weg gemeinsam weitergehe. Habe dabei auch mit diesen Verlustängsten zu kämpfen, von denen Anka geschrieben hat. Man weiß jetzt halt, dass es im Leben keine Garantien gibt, dass nichts für immer währt. Und so habe ich viel mehr Sorgen als früher, wenn z.B. meine Kinder irgendwo unterwegs sind, wenn wie jetzt gerade mein Vater operiert wird oder wenn sich mein Freund mal nicht meldet. Ich versuche, damit klarzukommen und es die anderen nicht spüren zu lassen und meistens gelingt mir das auch.
    Andererseits habe ich aber auch einen Teil meiner früheren Ängste verloren. Ich fahre inzwischen allein Strecken mit dem Auto, die ich mir früher nie zugetraut hätte. Oder ich bin früher nie geflogen, inzwischen habe ich bereits 2 Flugreisen hinter mir und die nächste ist gebucht. Oder ich gehe auch viel offener auf andere Menschen zu... Insofern hat mich das ganze auch ein gutes Stück stärker gemacht.
    Noch heute stehe ich dazu, dass ich es lieber anders gehabt hätte, aber diese Wahl bestand nunmal nicht. Also musste man irgendwie das Beste daraus machen. Es ist wie es ist- auch mein Mantra inzwischen.Und ich weiß, dass er es so für mich gewollt hätte. Weil er mich genau so geliebt hat, wie ich nunmal bin. Und weil diese Liebt bleibt- für immer.

  • Ihr Lieben,


    eure Beiträge hier sind großartig. Sie werden sicher auch den "Neuen" etwas helfen können und den "Mittelalterlichen" geben sie eh so viel.


    Danke ... :knuddeln:


    Habe heute in einer ganz anderen Geschichte gelesen:


    "Alles was lebt, ist endlich! - Aber auch die Trauer."


    Und das hat mich wiederum sehr bewegt, aber auch beruhigt.


    AL Frieda


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    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Hallo
    Finde das Thema auch sehr schön. Geduld ist allerdings nicht meine Stärke, deshalb fällt es mir auch schwer die Trauer mit den Gefühlsschwankungen auszuhalten. Würde gerne an schöne Zeiten denken und sehe doch immer wieder die Bilder aus dem Krankenhaus, der Palliativstation und dem Hospiz. Von der Beerdigung ganz zu schweigen, wobei ich dort nur Ausschnitte präsent habe. Den Rest scheint mein Gehirn abgeschaltet zu haben.
    Die Einstellung "es ist wie es ist" habe ich vom Verstand her auch, nur mein Gefühl gibt das noch nicht her.


    Lg Dina

  • Liebe Beauty, liebe Kerray und alle anderen,


    ich habe hier sehr lange nicht geschrieben, "Hase" bin ich nach 15 Monaten für mein Gefühl noch lange lange nicht... Du hast recht, Beauty, es ist gut dass du so ehrlich schreibst wie es dir nun geht, die meisten haben zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ein ähnliches Gefühl wie du zu ihrem verstorbenen liebsten Menschen haben, schon lang aufgehört, hier zu schreiben. Und es ist ja sehr aufschlussreich, Euch zu lesen.


    Ich möchte hier einmal beschreiben, wie ambivalent ich mich fühle, wenn ich Eure Beschreibungen lese. Gerade habe ich eine schlechte Phase, es geht mir nicht gut und ich habe gerade das niedergedrückte Gefühl, dass es nie besser wird und dass sich mein Zustand unbedingt ändern muss... Und trotzdem macht es mir irgendwie Angst, wenn ich Euch lese. Die Vorstellung, dass ich eines Tages meine Liebste als einen wichtigen Teil meiner Lebensgeschichte betrachte, der aber nunmal leider abgeschlossen ist, so bedauerlich ich das auch finde, widerstrebt mir sehr. Dabei ist mir klar, dass das der "gesunde" Weg ist und dass es gut gelaufen ist, wenn man zu dieser Haltung kommt, früher oder später. (Und dass es mir hier nicht um Wertung geht und dass ich mich freue, dass es Euch so gut geht, versteht sich hoffentlich von selbst). Aber z. Zt. macht es mir keinen Mut, Euch zu lesen. Eher Angst.


    Ich halte sehr an meiner Liebsten fest, vielleicht ist es so, dass ich Trauer als Zeichen von Liebe, als Zeichen von Treue (miss?)verstehe? Ich kann es selber nicht richtig in Worte fassen. Vielleicht kommt es mir so vor, als wäre sie "noch mehr weg" wenn ich nicht mehr akut trauer? Dass sie einfach "Vergangenheit" wird, der Mensch, der für mich der gegenwärtigste Mensch überhaupt war? Mir ist schon klar, dass man letztlich dorthin kommen muss, wo Ihr nun steht. Alternative ist, in einer destruktiven sog. "komplizierten Trauer" festzustecken. Keine gute Alternative. Und das Doofe ist ja einfach, wie Ihr ja auch sagt, dass man halt nichts machen kann. Ich kann trauern und an ihr festhalten, soviel ich will, es ändert nichts.Und natürlich hätte sie das nicht gewollt, schon klar.


    Versteht mich jemand???
    liebe Grüße, Euch alles Gute!
    Betula

    Was vorüber ist
    Ist nicht vorüber
    Es wächst weiter
    In deinen Zellen
    Ein Baum aus Tränen
    Oder
    Vergangenem Glück


    Rose Ausländer


  • Ich kann dich sehr gut verstehen. Auch ich hatte lange Zeit angst irgendwann zu vergessen. Wollte nie etwas von meinem schatzi aus den Augen verlieren.
    Und ich musste feststellen, daß manches einfach passiert. Dass man mittags mal feststellt, noch keinen Gedanken an den liebsten gehabt zu haben. Am Anfang hatte ich da ein schlechtes Gewissen.
    Das ist inzwischen vorbei.
    Ich trage mein schatzi immer in mir. Immer im Herzen.
    Und ich habe, einfach für mich, das tiefe Gefühl, dass mein schatzi mit dem Leben, das ich jetzt führe, vollkommen einverstanden ist....Nein... Oder eher, dass er damit was zu tun hat.


    Ich wünsche euch allen einen gesunden trauerweg.. Der irgendwann seinen eigenen Weg geht...

    Du schläfst mit Engeln über Dir
    Als Sternenlicht leuchten sie Dir
    begleiten Dich auf Deinem Weg...... (Kathy Kelly)


    Ohne Dich kann mir die Welt nichts mehr geben,
    ohne Dich ist sie nur halb so schön.... oder noch weniger.... <3

    Einmal editiert, zuletzt von kelly ()

  • ja liebe @Betula


    und wie ich dich verstehen kann. Gerade hebe ich meine Nase aus einem schrecklichen Trauerloch, in das ich unvermittelt hinein gefallen war. Es ist die Vergangenheit! Jetzt bin ich allein - ohne ihn - aber mit ihm tief in meinem Herzen.


    Es ist schwer, die Vergangenheit loszulassen. Und doch ist sie nicht mehr. Genau das tut so sehr weh.


    Ich möchte eigentlich nichts und niemanden loslassen, am liebsten alles, was mir lieb und teuer ist, ganz ganz festhalten. Das Leben selbst belehrt mich aber, dass das unmöglich ist. So öffne ich meine Hände und lasse los, nur für einen Moment - und die Tränen fließen und ich stürze hinab in die Traurigkeit und Trauer. Dieser Schmerz des Loslassens bringt mich weiter. Die Vergangenheit ist nicht real. Jetzt bin ich hier, auch wenn ich allein bin. So ist das jetzt.


    Und ja, wenn ich mir vorstelle, wie er das alles hier finden könnte ... er würde zu mir sagen, dass ich doch genau hinschauen soll, dass so Vieles für mich da ist, auf mich wartet - und er würde mich in seine Arme schließen ...


    ......................................................


    "Wir können der Tatsache nicht ausweichen,
    dass jede einzelne Handlung, die wir tun,
    ihre Auswirkung auf das Ganze hat."


    Albert Einstein

  • Guten Morgen Betula,


    ich glaube, es sind zwei Aspekte, die Du bedenken solltest:


    Du trauerst seit etwas über einem Jahr, ich beschreibe meine Gefühle 8 Jahre nach dem Tod meines Mannes. Und auch ich habe nicht "darauf hin" getrauert, dass das Leben mit ihm einmal ein Teil meiner Vergangenheit sein wird. Es hat sich ganz einfach so entwickelt. Ohne mein Zutun und oft war ich ebenso wie Kelly erst mal irritiert, wenn ich wieder einen Schritt nach vorne bemerkt habe.


    Der zweite Ansatz ist ein bisschen abstrakt, aber vielleicht schaffe ich es, mich so auszudrücken, dass Ihr ihn nachvollziehen könnt. Ich habe eigentlich nie aktiv getrauert, sondern "es hat mich" getrauert. In Bezug auf unsere Grammatik ist Trauern für mich also keine Tätigkeit, sondern eher eine Eigenschaft. Ich trauere nicht, sondern ich bin trauernd. Ich konnte mich ja gar nicht dagegen wehren und hätte gar nicht anders mit dem Verlust umgehen können, als ich es tat. Es gab für mich nicht "die" Trauer als etwas von aussen kommendes, das man irgendwie dingfest machen kann, sondern Trauer ist für mich ein Teil meines eigenen Gefühlslebens wie Freude, Wut, Angst, Liebe usw. Die Trauer ist also ein Teil von mir, ein völlig normaler Zustand, in dem ich mich befinde und schon deshalb kann ich sie nicht bekämpfen, sondern nur ausleben. Ich habe meinen Mann auch nicht losgelassen, das wäre mir nie mögich gewesen, sondern ich wurde irgendwann losgelassen - nämlich von der Trauer.


    Du hast also gar keine Wahl, als mit diesem Verlust so umzugehen, wie Du es tust. Man kann zwar hin und wieder mal den Blickwinkel überprüfen und auch mal reflektieren, ob man nicht manchmal die Trauer um einen Menschen mit Selbstmitleid verwechselt. Aber selbst wenn man über den Verstand weiss, wo man steht und wie es etwas leichter wäre - Herz und Verstand sprechen halt nicht immer dieselbe Sprache.


    Liebe Betula, das ist wieder der Punkt, an dem ich die Geduld ins Spiel bringe. Du kannst nicht daraufhin trauern, dass es Dir mal so geht wie mir, denn wie Du siehst, ist das für Dich (heute) gar nicht erstrebenswert. Du kannst nur vielleicht in 7 Jahren lächelnd feststellen: Ach ja, so hat Beauty das damals beschrieben. Und es gibt auch keine Gebrauchsanweisung durch die Trauer. Sie lässt sich nicht umgehen, nicht austricksen und nicht abkürzen. Jeder geht seinen eigenen Weg durch diese schwere Zeit. Und auch ich geriet auf diesem Weg nicht nur einmal in eine Sackgasse, hatte Rückschläge, blieb im Kreisverkehr stecken bis ich die nächste "Ausfahrt" fand, die mich ein Stück weiter brachte.


    Wenn ich einen wie auch immer gearteten Rat geben sollte, dann diesen: Für mich war hilfreich, mir bei aller Verzweiflung den Blick auf das Schöne, das die Welt auch zu bieten hat von der Trauer nicht zerstören zu lassen. Das klingt für frisch Trauernde vielleicht erst mal sogar zynisch. Was soll schon schön sein, wenn das ganze Leben wie eine offene Wunde vor einem liegt. Aber nicht darin noch herum zu stochern, sondern sie als gegeben anzunehmen und (mehr oder weniger) sie in Ruhe heilen zu lassen. Das hat mir geholfen. Die Trauer hat nichts damit zu tun, auf einer Reise staunend vor den Wundern der Natur stehen zu können. Die Trauer hat nichts damit zu tun, dankbar die Freundlichkeit der Nachbarin anzunehmen. Die Trauer hat nichts damit zu tun, endlich die echten Freunde von den oberflächlichen Zeitgenossen unterscheiden zu können. Die Trauer hat nichts damit zu tun, dass ich für so vieles andere im Leben dankbar sein darf. Ich habe damals versucht, der Trauer den Platz einzuräumen, der ihr zusteht. Nicht mehr und nicht weniger. Das hat nicht immer gleich gut geklappt und auch bei mir lief das in Phasen ab. Aber sich bewusst auf die positiven Seiten des Lebens zu konzentrieren, das fällt erst mal schwer, wird jedoch immer mehr verinnerlicht, je länger man das "trainiert". Das geht sogar so weit, dass ich heute im Rückblick sagen muss: Ich habe inzwischen wunderbare Dinge erlebt, die es ohne den Tod meines Mannes so gar nicht gegeben hätte und ich kann dafür heute völlig ohne schlechtes Gewissen dankbar sein.


    Herzliche Grüße
    Beauty

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