Hallo liebe Forums-Gemeinde,
am Freitagabend verstarb völlig unerwartet meine Schwiegermutter mit 73 Jahren. Mein Mann (33) hat nun gar keine Eltern mehr, sein Vater starb, als er erst sieben war. Großeltern gibt es nicht mehr. Er hat noch einen großen Bruder (51) und die drei Brüder seiner Mutter mit ihren Familien. Hilfe (auch in organisatorischen Dingen) ist also genug vorhanden.
Ich bin für meinen Mann allerdings die Hauptbezugsperson.
Das Problem, das ich habe, ist, dass ich zum Teil so gar nicht weiß, was ich machen, mich verhalten soll. Meine Familie (ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter und meiner Oma) klammere ich im Moment total aus, weil ich meinen Mann nicht daran erinnern möchte, wen ich noch habe und er nicht mehr. Das heißt, dass ich jetzt noch zusätzlich meine Mutter und Oma vor den Kopf stoße, um auf meinen Mann Rücksicht zu nehmen. Dies ist für mich zum einen belastend, fühlt sich aber auch richtig an.
Zum anderen ist mein Mann total gefasst. Er sagt, er ist zwar traurig, hatte auch am SA und gestern und heute jeweils etwa ne halbe Std, wo er geweint hat und gesagt hat, dass er seine Mama vermisst, aber ansonsten keine Gefühlsregungen. Die organisatorischen Dinge teilen sich er und sein Bruder, sodass keiner zu viel machen muss. Die Beerdigung ist erst am kommenden Samstag, also liegt eine Zeitspanne von mehr als einer Woche zwischen dem Todesereignis und der Beerdigung. Mein Mann sagt, es muss weitergehen und wirkt so, als hätte er den Tod seiner Mutter zumindest teilweise schon akzeptiert. Er schläft gut und hat Appetit. Über weite Strecken wirkt er, als ginge es ihm relativ gut. Er sagt selbst er sei traurig, wüsste aber, dass er am Tod seiner Mutter nicht kaputtgehen werde. Das kann ich so alles irgendwie nicht glauben. Jeder sagt mir, dass es nach der Beerdigung schlimmer werden wird und dass ich mich dahingehend wappnen solle. Jetzt warte ich mit einer Scheißangst auf den Samstagnachmittag, wenn die Beerdigung rum ist. Überlege, wie ich mich vorbereiten kann. Dass es schlimmer wird, muss so kommen, dass haben mir alle, mit denen ich gesprochen hab, sowie das Internet, glaubhaft versichert. Das muss einfach stimmen *Ironie aus*. Es ist nur komisch, wenn man das Gefühl hat, der primär Betroffene (mein Mann) müsste mich, die sekundär Betroffene, trösten. Denn ich bin halt emotional und weine öfter.
Vorwürfe...macht mein Mann sich auch noch keine. Das letzte Mal mit seiner Mutter gesprochen hat er am Sonntag, 07.01. Am 12.01. ist sie gestorben. Es war aber normal, dass sie nur etwa einmal die Woche Kontakt hatten, sich sahen oder telefonierten. Auch wenn sie nicht weit weg (etwa 10km) wohnte. Ich mach mir hingegen Vorwürfe, dass ich ihn nicht dazu gebracht hab, sich öfter zu melden. Aber wie gesagt, mein Verhältnis zu meiner Mutter ist auch anders, wir reden etwa alle zwei Tage miteinander. Und ich denke, vielleicht werden die Selbstvorwürfe irgendwann noch kommen. Ich denke das wäre normal...oder nicht?
Dann die Sache mit Trauernormen bzw. Handlungsmaximen für das Leben in den ersten Wochen nach dem Trauerfall. Da wünsch ich mir fast die 50er Jahre mit Trauerjahr und Dresscode zurück.
Klar, für das WE, an dem es passiert ist und das WE der Beerdigung sämtliche anderen Termine abgesagt. Aber was ist mit Terminen in den Wochen danach? Wahrnehmen? Generell ausfallen lassen? Spontan entscheiden?
Was ist mit Terminen, die nur mich betreffen? Wahrnehmen und meinen Mann in der Zeit alleinlassen? Betreuung organisieren? Termine nicht wahrnehmen? Ich spreche btw von Freizeit- nicht von Jobterminen.
Wie hoch "darf" der Spaßfaktor eines Freizeittermins sein, um angemessen zu sein in der Zeit? Beispiel: Für den 25. Januar hab ich Konzertkarten - ein Konzert, das ich mit meiner Schwester und einer Bekannten besuchen wollte. D.h. ohne Männer. Kann ich das wahrnehmen?
Weiteres Beispiel: Hatte meiner Mutter zum Geburtstag Konzertkarten für ein Konzert am 23.02. geschenkt, wo wir zusammen hingehen wollten. Kann ich das wahrnehmen? Wegen a) alleinlassen und b) ihn damit daran erinnern, dass ich meine Mutter noch habe? Zudem hatten wir seiner Mutter Karten für ein anderes Konzert einen Tag vor dem Konzert von mir und meiner Mutter geschenkt, wo sie mit meinem Schwager hingehen wollte. Auch im Hinblick auf Rücksicht auf diesen: Kann ich mit meiner Mama zu diesem Konzert gehen?
Drittes Beispiel: Für die Osterferien Anfang April Kreuzfahrt mit einem befreundeten Paar und der Mutter des weiblichen Parts des Paares gebucht - Reise aufgrund der Konstellation (Anwesenheit einer Mutter) absagen oder können wir sie wahrnehmen? Finde es zu früh, mit meinem Mann drüber zu reden, andererseits kann man da auch wg der finanziellen Geschichte nicht bis kurz vor knapp warten.
Hinsichtlich des Jobs - wir sind beide Lehrer, von daher ähnliche Arbeitszeit. Daher wenig Probleme, Zeiten des Alleinseins zu überbrücken.
Ihm stehen beamtenrechtlich im Todesfall eines Elternteils zwei freie Tage zu - einen hat er heute, einen am Mittwoch. Morgen und DO/FR geht er arbeiten. Ich finds zu früh, sagte ihm, er solle sich krankschreiben lassen. Er will arbeiten gehen. Ich finds zu früh.
Habe Angst, dass er durch sein gefasstes Verhalten und dem Wunsch, schnell zum Alltag überzugehen, hochgradig gefährdet ist, in eine Verdrängung zu rutschen.
Sorry für diesen langen, z.T. unstrukturierten Text. Vielleicht teilt ja jmd seine Lebenserfahrung mit mir...?